Berufsverband der Deutschen Dermatologen nimmt Stellung
"Befremdlich ist für den BVDD, dass der Redaktion alle wichtigen Fakten mit Literaturangaben für die Recherche zur Verfügung standen und als Position des BVDD der Redakteurin in mehreren Gesprächen auch mitgeteilt wurden, jedoch keines der Argumente Eingang gefunden hat in die Berichterstattung", so der Präsident des Berufsverbandes, Dr. Klaus Strömer, in einer Stellungnahme nach der Sendung. Das gelte im Übrigen nach Informationen seines Verbandes auch für Stellungnahmen von mehreren befragten Krankenkassen, die genauso wenig Beachtung fanden wie die Positionierung des Spitzenverbandes der Krankenkassen.
Der seit mehr als einer Dekade federführend mit dem Hautkrebsscreening betraute Wissenschaftler Prof. Eckhard Breitbart sei zwar mit Bild in der Sendung gezeigt worden, eine Stellungnahme zum Thema habe der Zuschauer aber nicht erhalten. Ein weiterer auf die Epidemiologie von Hautkrebs spezialisierter Wissenschaftler, Prof. Alexander Katalinic, vom Krebsregister in Schleswig-Holstein, sei zwar vor der Sendung von "Kontraste" befragt worden, "seine Einlassungen zum Thema passten aber offensichtlich auch nicht in den Tenor der Sendung", so Strömer.
"Eine derart bewusst einseitige Berichterstattung, die nachweislich nicht auf schlechte Recherche, sondern in Kenntnis aller Fakten zustande kommt, ist für einen öffentlich-rechtlichen Sender für unseren Geschmack jenseits des seriösen Journalismus anzusiedeln und damit ein Fall für den Rundfunkrat."
Hintergrund:
Früherkennungsmedizin steht grundsätzlich vor dem Dilemma, dass ihr Nutzen weitaus schwerer in placebokontrollierten randomisierten klinischen Studien darstellbar ist, als bei der Behandlung von manifesten Erkrankungen. Allein schon aus ethischen Gründen ist es zum Beispiel fraglich, ob ein systematischer Vergleich von Untersuchungsgruppen mit und ohne Früherkennungsuntersuchung statthaft ist. Genau das aber fordern Kritiker des gesetzlichen Hautkrebsscreenings in dem Magazinbeitrag.
Das von der Redaktion "Kontraste" zitierte und noch nicht veröffentlichte Gutachten des Instituts für Qualität & Patientensicherheit GmbH (BQS) mit Sitz in Düsseldorf ist vom Auftraggeber – dem Gemeinsamen Bundesausschuss – bislang noch nicht abschließend in den zuständigen Gremien geprüft und bewertet worden.
Soweit bislang bekannt geworden ist, lautet der Auftrag eine Evaluation des Hautkrebsscreenings mit dem Ziel vorzunehmen, ob die Hautkrebsvorsorge bestimmungsgemäß durchgeführt wurde. So jedenfalls steht es in den Unterlagen, die der gemeinsame Bundesausschuss bereits im Sommer 2008 mit der Einführung des Hautkrebsscreenings als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung veröffentlicht hat.
Es geht bei dieser Überprüfung mithin nicht um die Ergebnisqualität, sondern um eine Prozessevaluation! Zur Bewertung des Nutzens des Screenings ist das BQS-Gutachten allein schon aus methodischen Gründen folglich nicht geeignet.
Im Ergebnis kommt das Gutachten bei aller kritischer Beleuchtung der Verbesserungsmöglichkeiten der gesetzlich geregelten Hautkrebsfrüherkennungsuntersuchung unseres Wissens nach eindeutig zu der Empfehlung an den G-BA, das Hautkrebsscreening weiterzuführen!
Um Mortalitätsentwicklungen belastbar abschätzen zu können, greift ein 5-Jahreszeitraum zu kurz. Der Erfolg oder Misserfolg von Früherkennung anhand epidemiologischer Daten lässt sich oft erst nach einem oder zwei Jahrzehnten erkennen, vorausgesetzt jeder einzelne Fall wird auch zuverlässig gemeldet und korrekt gezählt.
Die Datenerhebung zum Hautkrebsscreening ist diesbezüglich schon im Ansatz mangelhaft. Erstens werden nicht sämtliche Hautkrebsarten erfasst, sondern die Statistik konzentriert sich auf drei Zielindikationen. Zweitens wird – den Bestimmungen der Weltgesundheitsorganisation folgend – in den epidemiologischen Krebsregistern nicht jeder einzelne Hautkrebs erfasst, sondern immer nur das erstmalige Auftreten. Wiederkehrende Hautkrebserkrankungen bleiben systematisch außerhalb der Betrachtung. Darüber hinaus besteht eine beträchtliche Dunkelziffer, da längst nicht alle Tumoren auch tatsächlich gemeldet werden.
Es hat also gute Gründe, dass der Gemeinsame Bundesausschuss schon bei der Einführung des GKV-Screenings im Sommer 2008 sich nicht ausschließlich an Studiendaten der sogenannten Evidence based medicine orientiert hat, sondern die Kenntnisse aus der medizinischen Versorgungswirklichkeit bei seiner damaligen Entscheidung gleichfalls berücksichtigt hat.
Es geht um mehr als die Senkung der Mortalität
Zu den Zielindikationen des Hautkrebsscreenings gehören über das maligne Melanom hinaus zwei Formen des hellen Hautkrebses: das Basallzell- und das Plattenepithelkarzinom. Diese beiden Arten des „hellen Hautkrebses“ lassen sich sehr gut operativ behandeln und enden nur äußerst selten – wenn sie über Jahre unbehandelt bleiben – tödlich.
Darüber hinaus gibt es jedoch noch eine Reihe anderer weitaus seltenerer aber deshalb nicht minder gefährlicher Arten von Hautkrebs, die zwar nicht ausdrücklich Gegenstand des Screenings sind, vom untersuchenden Hautarzt aber gleichfalls im Rahmen dieser Untersuchung erkannt werden.
Generelles Ziel des Hautkrebsscreenings ist neben der Senkung der Mortalität in weitaus mehr Fällen noch die Vorverlegung des Diagnosezeitpunktes und damit eine Verminderung der Zahl von ausgedehnten und schwer belastenden Operationen. Das gilt für das Basalzellkarzinom und das Plattenpithelkarzinom gleichermaßen.
Langfristig geht es bei der gesetzlich geregelten Hautkrebsfrüherkennung um zwei Ziele:
• die alterungs- und verhaltensbedingt seit Jahrzehnten steigenden Hautkrebsraten zu senken und
• die Rate der Neuerkrankungen so weit wie möglich zu verringern.
Es ist nicht sachgerecht, die Nutzenbewertung auf die Absenkung der Mortalitätsrate zu verengen.
Die Last der Hautkrebserkrankungen wird weiter steigen
Jeder siebte Bundesbürger entwickelt heute im Laufe seines Lebens einen Hautkrebs. Tendenz demografiebedingt in den kommenden Jahren weiter steigend.
In jungen Jahren – bei unter 35-Jährigen und besonders bei jungen Frauen – ist Hautkrebs heute die häufigste Krebsart überhaupt. Eine Reihe von Krankenkassen bieten daher über den vom gemeinsamen Bundesausschuss gesetzten gesetzlichen Rahmen hinaus aus medizinisch wichtigen Gründen auch bereits für jüngere Altersgruppen ein Hautkrebsscreening als Kassenleistung an.
Daher ist die Beratung darüber, wie Patienten der Entstehung von Hautkrebs vorbeugen können und was sie unternehmen müssen, damit bereits eingetretene UV-Strahlungsschäden sich nicht weiter verschlimmern, ein wichtiger Teil der ärztlichen Früherkennungsuntersuchung.
Zur Früherkennung von UV-Schäden an der Haut leistet das Hautkrebsscreening einen wichtigen Beitrag und gibt allen, die daran teilnehmen, einen wichtigen Hinwies, sich unter Umständen besser als bisher vor den Risiken der UV-Bestrahlung zu schützen: in der Freizeit und gleichermaßen auch am Arbeitsplatz und im Beruf.