BVDD: ARD-Polit-Magazin „Kontraste" hat die Öffentlichkeit getäuscht
BERLIN – „Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen begrüßt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss mit seinem lange überfälligen Evaluationsbericht zum Hautkrebsscreening allen unseriösen Mutmaßungen den Boden entzieht. „Zugleich wird klar: Das ARD-Politmagazin „Kontraste" hat die Öffentlichkeit getäuscht", so der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, Dr. Klaus Strömer.
„Für die in dem Fernsehbeitrag erhobene Behauptung, ‚Die Ergebnisse stellen das Screening komplett infrage. Es ist offenbar nutzlos und womöglich sogar schädlich!‘, gibt es im jetzt veröffentlichten Bericht keinen Beleg", so der Mönchengladbacher Hautarzt. Das vom G-BA beauftragte „BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit" kommt in seinem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass trotz einer steigenden Zahl von malignen Melanomen die Sterblichkeitsrate nach Krebsregisterdaten konstant niedrig bleibt. „Dies ist ein Erfolg und nicht etwa ein Hinweis auf die Nutzlosigkeit", so Dr. Strömer. „Kontraste" deutet den gleichen Sachverhalt anders: „Fünf Jahre nach Beginn des Programms sterben immer noch genauso viele Menschen am Melanom wie vor dem Screening.“
Tatsache ist nach BQS-Angaben: Seit Einführung des Hautkrebsscreenings ist nicht nur die Zahl der entdeckten Vorstufen von Hautkrebs gestiegen. Vielmehr war gleichzeitig auch ein Anstieg weiter fortgeschrittener Hauttumoren zu verzeichnen. „Kontraste“ hatte glauben machen wollen, diese besonders kritischen Fälle würden überwiegend verpasst. Insbesondere in der Früherkennung des malignen Melanoms bescheinigt das BQS den Dermatologen hingegen eine „sehr gute diagnostische Qualität“ bei den zutreffend positiven Befunden.
Im Übrigen liefert das Gutachten erste Hinweise dafür, dass eine Einschränkung der Zahl der Untersuchten beispielsweise durch eine Begrenzung auf „Risikogruppen“ keine wesentlich bessere Trefferquote liefert als das Screening für jedermann, wie es die gesetzliche Krankenversicherung im Juni 2007 eingeführt hat.
Gestützt auf Daten des Nationalen Krebsregisters beim Robert-Koch-Institut weist der Bericht darüber hinaus auf eine Tendenz hin, die für die Vorverlegung des Zugangsalters zum GKV-Screening spricht: „Wird die Entwicklung der Melanominzidenz von 2006 auf 2011 nach Alter und Geschlecht differenziert betrachtet, wird sichtbar, dass die Melanominzidenz in einzelnen Altersklassen deutlich stärker zugenommen hat als in anderen. So sind bei beiden Geschlechtern besonders starke Anstiege im Alter zwischen Anfang 30 und Ende 40 sowie zwischen 60 und 80 Jahren zu verzeichnen", so das BQS. Ähnlich gelte auch die Entwicklung bei Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen.
„Kontraste" hatte Krankenkassen, die den Kreis der Anspruchsberechtigten auf unter 35-Jährige erweitert haben, platt unterstellt: „Die nutzen die vollkommen überzogene Angst vor Hautkrebs, um sich im gegenseitigen Wettbewerb Vorteile zu verschaffen.“ Ihr Ziel laute: „Versicherte gewinnen um jeden Preis.“
Auf der gleichen Linie liegt der Vorwurf, Haus- wie Fachärzte für Dermatologie betrieben aus durchsichtigen ökonomischen Motiven ein „Spiel mit der Angst“, das zur Einführung des Screenings als Kassenleistung geführt habe. „Denn durch das Hautkrebsscreening bekommen sie zusätzliches Geld", so die Begründung. Der fehlende Nachweis der wissenschaftlichen Wirksamkeit habe „im Gemeinsamen Bundesausschuss, der ärztlichen Selbstverwaltung, die Ärztelobby nicht interessiert.“
Gleichzeitig erweckt das rbb-Magazin den Eindruck, das der Redaktion vorab zugespielte „vertrauliche“ Gutachten basiere auf belastbaren Daten. Dabei rückte die Autorin vor allem den fehlenden Nachweis für ein Absinken der Sterberate als Erfolgskriterium der Früherkennung in den Mittelpunkt. Jetzt stellte das BQS klar, solche Studien könne es derzeit schon aus methodischen Gründen noch gar nicht geben: „Die zeitliche Nähe der Evaluation zur Einführung des Hautkrebsscreenings“ sei für eine Abschätzung zu groß, „als dass bereits mit Veränderungen in den Mortalitätsraten zu rechnen wäre", so das BQS. Darüber hinaus betont das BQS an einer Vielzahl von Stellen, dass die Qualität der verfügbaren Daten für 2009 und 2010 bei weitem noch nicht ausreicht, heute bereits eine abschließende Bewertung vorzunehmen.
„Der Vergleich des realen BQS-Gutachtens mit den reißerischen Kontraste-Thesen macht deutlich: Die Redaktion kann das BQS-Gutachten für ihre Darstellung nicht in Anspruch nehmen – selbst wenn man den Nachbesserungsbedarf im Dokumentationsverfahren in Rechnung stellt, den das BQS angemahnt hat", so BVDD-Präsident Strömer.
Die Kontraste-Redaktion hingegen sei nicht einmal davor zurückgeschreckt, Aussagen des Prüfberichts faktisch in ihr Gegenteil zu verkehren. Damit habe „Kontraste" eklatant die Grundregeln journalistischer Sorgfalt verletzt. „Die Dummen sind all jene, die sich durch diesen Bericht in ihrer Ablehnung gegenüber der Hautkrebsfrüherkennung bestätigt sehen", so Dr. Strömer.
Der BVDD erwartet von der rbb-Kontraste-Redaktion eine umgehende und umfassende Richtigstellung in der nächsten Sendung. „Das gilt auch für die Übernahme dieser Desinformation auf tagesschau.de", so der niedergelassene Hautarzt. „Wir werden sehen, ob sich Qualitätsjournalismus, den die ARD für sich beansprucht, auch in der Korrektur von Fehlleistungen erweist."
23.04.2015
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>>Die Aussagen von "Kontraste" im Wortlautvergleich mit dem BQS-Gutachten
>>Der Abschlussbericht des BQS im Wortlaut