Frühe Nutzenbewertung im Zeichen der Preisfindung
BERLIN/KÖLN – Innerhalb nur weniger Wochen haben der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bzw. das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bei drei neuen Medikamenten zur Behandlung von Hauterkrankungen im Rahmen des Verfahrens zur frühen Nutzenbewertung festgestellt, dass ein Zusatznutzen nicht belegt sei. Betroffen sind das Biologikum Cosentyx® (Novartis) und Otezla® (Celgene) zur Behandlung der Psoriasis sowie Soolantra® (Galderma) zur Rosazea-Therapie.
Das vom Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragte Kölner Institut macht formale und methodische Mängel wie fehlende Head-to-Head-Studien zur zweckmäßigen Vergleichstherapie oder von den vorgegebenen Standards des IQWiG abweichende Endpunkte bei der Messung des Therapieerfolgs geltend.
Novartis zeigte sich in einer ersten Stellungnahme angesichts der vorgelegten Studienergebnisse befremdet über das Ergebnis der IQWiG-Empfehlung an den G-BA. "Die Empfehlung ist für Novartis in keiner Weise nachvollziehbar. Sie blendet den Versorgungsalltag in der dermatologischen Praxis aus", hieß es dazu aus Nürnberg. Gemäß der nationalen und europäischen Leitlinien sei von einem "PASI-75-Ansprechen" als Therapieziel auszugehen. Cosentyx® habe diese Vorgabe nicht nur erreicht, sondern mit einem PASI-90-Ansprechen noch weit übertroffenn. Das IQWiG hingegen hatte in seiner Überprüfung allein eine hundertprozentige Abheilungsrate (PASI-100) bei dieser chronischen, bislang nicht gänzlich heilbaren entzündlichen Hauterkrankung gelten lassen.
Celgene und Galderma hatten von vorneherein davon abgesehen, Studiendaten zu einer zweckmäßigen Vergleichstherapie einzureichen. Im Falle von Soolantra® verweist das pharmazeutische Unternehmen auf die gesetzlichen Bestimmungen zur frühen Nutzenbewertung in § 35a Abs. 1 SGB V. Demnach sei eine solche Überprüfung ausschließlich "für neue Wirkstoffe gefordert, die in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind". Nach Auffassung von Galderma handelt es sich bei Ivermectin "um einen bewährten und in der medizinischen Wissenschaft bereits seit Langem bekannten Wirkstoff", für den eine Dossiereinreichung nicht erforderlich war, wie das Unternehmen in einer Presseinformation betont.
Celgene stellt zum Beschluss des G-BA fest: "Der G-BA-Beschluss entspricht den Erwartungen" und zeigt sich zufrieden damit, dass der G-BA niedrigere Jahrestherapiekosten im Vergleich zu Biologika in seinem Beschluss feststellt. Der Anbieter sieht damit die Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit von Otezla® bestätigt. Die starke Marktnachfrage zeige im Übrigen, dass das neue Medikament eine wichtige Versorgungslücke bei Plaque-Psoriasis und Psoriasis-Arthritis schließt.
Die Nutzenbewertungsverfahren von Soolantra® und Cosentyx® sind noch nicht abgeschlossen. Voraussichtlich im Oktober führt der G-BA dazu zunächst Anhörungen durch. Mit einer abschließenden Entscheidung wird gegen Jahresende gerechnet.
Hintergrund: Seit dem 1. Januar 2011 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die gesetzliche Aufgabe, für alle neu zugelassenen Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt eine (Zusatz-)Nutzenbewertung durchzuführen (§ 35a SGB V). Deren Ergebnis ist die Entscheidungsgrundlage dafür, wie viel die gesetzliche Krankenversicherung für ein neues Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff zahlt.
Der G-BA bewertet innerhalb von drei Monaten nach Marktzulassung eines neuen Arzneimittels, ob ein gegebenenfalls behaupteter Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie anerkannt wird. Zu diesem Zweck sind die Hersteller gesetzlich verpflichtet, dem G-BA ein Dossier auf Grundlage der Zulassungsunterlagen sowie aller Studien zu den Arzneimitteln vorzulegen, die einen Zusatznutzen des Medikaments im Vergleich zu einer zuvor bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie belegen. Der G-BA kann mit der Nutzenbewertung das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) oder Dritte beauftragen.
Das Ergebnis der Nutzenbewertung wird im Internet unter www.g-ba.de veröffentlicht. Pharmazeutische Unternehmer, Verbände und Sachverständige erhalten die Gelegenheit, schriftlich und mündlich zu dem Ergebnis Stellung zu nehmen.
Nach weiteren drei Monaten trifft der G-BA einen Beschluss auf Basis der Nutzenbewertung und der eingegangenen Stellungnahmen, der vor allem Aussagen über das Ausmaß des Zusatznutzens, über die zur Behandlung in Frage kommenden Patientengruppen, über Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung und über die Therapiekosten des Arzneimittels enthält. Mit diesem Beschluss entscheidet der G-BA damit auch über das weitere Verfahren zur Preisfindung für das neue Medikament.
Bei Arzneimitteln mit erwiesenem Zusatznutzen verhandeln der GKV-Spitzenverband und das jeweilige pharmazeutische Unternehmen innerhalb von sechs Monaten einen Erstattungsbetrag für die GKV als Rabatt auf den ursprünglichen, durch das Unternehmen selbst festgelegten Abgabepreis. Kommt es zu keiner Einigung in der Verhandlung, setzt eine Schiedskommission den Erstattungsbetrag fest. Maßstab soll dabei das europäische Preisniveau sein, wie der G-BA dazu weiter mitteilt.
Kommt der G-BA zu dem Ergebnis, dass das neue Arzneimittel gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie keinen Zusatznutzen aufweist, wird es nach Markteinführung innerhalb von sechs Monaten in das Festbetragssystem überführt. Wenn ein Arzneimittel ohne Zusatznutzen keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, wird ebenfalls ein Erstattungsbetrag verhandelt, "bei dem", so der G-BA, "die Jahrestherapiekosten jedoch nicht höher sind als bei der zweckmäßigen Vergleichstherapie".