Rösler greift Initiative auf: Verlängerung der Übergangsfrist vorgeschlagen
BERLIN - Nach nicht abreißenden Protesten der Ärzteschaft und der Überschreitung des Quorums bei der Online-Petition reagiert die Politik: Gesundheitsminister Philipp Rösler hat vorgeschlagen, die verpflichtende Einführung der ambulanten Kodierrichtlinien auf den 1. Januar 2012 zu verschieben.
„Das gibt allen beteiligten Partnern insbesondere die Zeit, die Anwendung im Praxisalltag deutlich zu vereinfachen“, heißt es in einem Schreiben des Ministers an KBV-Chef Dr. Andreas Köhler und die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer, aus dem das Ärzteblatt zitiert. Rösler fordert die Vertragspartner auf, umgehend zu verhandeln, die Übergangsfrist für die Einführung der AKR bis zum 31. Dezember zu verlängern. KBV-Chef Köhler begrüßte die Initiative des Ministers und sagte in seinem Antwortbrief zu, schnell Verhandlungen führen zu wollen, forderte den Minister aber auch auf, die Ärzteschaft bei den Verhandlungen zu unterstützen.
Die Politik wird sich auch von Gesetzes wegen mit den AKR befassen müssen: eine beim Petitionsausschuss des Bundestags gemachte Eingabe, deren Mitzeichnungsfrist am 16. Februar endete und mit der der Stopp der AKR gefordert wurde, überschritt die erforderliche Zahl von 50.000 Unterstützern bei Weitem: bei Redaktionsschluss haben mehr als 200.000 Unterschriften für die Petition vorgelegen, wie der ärztliche Nachrichtendienst (äND) meldet. Auch der BVDD hatte seine Mitglieder aufgefordert, die Petition zu unterstützen. Zahlreiche Landesärztekammern und KV-Vertreterversammlungen hatten sich gegen die verpflichtende Einführung der AKR ausgesprochen, und mit ihrem Protest zunächst erreicht, dass die Anwendung der am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Richtlinien auf den 1. Juli verschoben wurde.
Die Initiative eines Hausarztes aus Baden-Württemberg unterstützten neben den betroffenen Ärzten auch viele Patienten. Die ausgelegten Unterschriftenlisten seien rege in Anspruch genommen worden, berichtet die Erlanger Hautärztin Dr. Astrid Schirner.
Dabei ist das Meinungsbild in der Ärzteschaft bei Weitem nicht einheitlich. Auch die Dermatologie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, den Behandlungsbedarf und die Morbidität nachweisen zu müssen, und dem bürokratischen Aufwand, den das verschärfte Kodieren verursacht. Nach der Veröffentlichung des BVDD-Aufrufs, die Petition zu unterstützen, erreichte die Pressestelle des Berufsverbandes eine Vielzahl von Zuschriften.
„Aus Hautarzt- und Stadtstaatler-Sicht wäre die Ablehnung der Kodierrichtlinie ein lethaler Doppelfehler“, unterstrich der Berliner KV-Vorstand Burkhard Bratzke. „Die Einführung der Kodierrichtlinien ist die einzige Möglichkeit der Stadtstaaten und der Ostländer ihr notwendig höheres Vergütungsniveau je Versicherten zu erhalten“, so Bratzke, der darauf verweist, dass der Protest gegen die AKR vor allem von den Hausärzten getragen wird.
Der Berliner Hautarzt verweist darauf, dass ab 2011 der haus- und fachärztliche Vergütungsbereich getrennt weiterentwickelt werden. Die Höhe des Zuwachses der fachärztlichen Vergütung sei dabei vom Nachweis des Morbiditäts-Zuwaches abhängig, so Bratzke.
Dr. Peter Elsner aus Bremen appellierte in seiner Rückmeldung an den Berufsverband: „Lassen sie uns die Kodierrichtlinie als Chance sehen und nicht als Fluch!“ Nur durch die Dokumentation der Diagnosen ließe sich demonstrieren, wie viele Probleme ein Patient hat. „Ich verspreche mir durch die genaue Kodierung auch eine gerechtere zukünftige Bezahlung“, so Elsner.
Das andere Ende des Meinungsspektrums repräsentiert Dr. Wolfgang Klee „Wem nützen die AKR? Den Krankenkassen? Den Ärzten? (was ich sehr stark bezweifele)“, schreibt Klee. Der Mainzer Dermatologe kritisiert den erheblichen Mehraufwand und befürchtet: „Tatsache ist, dass wir damit immer mehr den „gläsernen Patienten“ und den „gläsernen Arzt“ bekommen!“
In die sich weiter verschärfende Diskussion hatte sich unmittelbar vor Ende der Zeichnungsfrist auch nochmals Dr. Andreas Köhler eingeschaltet, der mehr Sachlichkeit forderte. Köhler verwies auf die gesetzlichen Vorgaben, die zur Einführung zwängen und wies auf Nachteile für die ärztliche Vergütung hin, sollte die Einführung gestrichen werden.
Nachdem nun der Gesundheitsminister eine Verlängerung der Erprobungsphase gefordert hat, stellt auch Köhler den Nachbesserungsbedarf in der Vordergrund. Er sprach sich dafür aus, die fünfstellige Verschlüsselung des ICD-10 zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, da sie zu aufwendig sei. Darüber hinaus müsse mit Datum der Umstellung auf die neue Richtlinie sichergestellt werden, dass das hausärztliche Versorgungsspektrum angemessen abgebildet werden kann. Im Übrigen dürfe sich eine Verlängerung der Übergangsfrist nicht negativ auf die Honorarweiterentwicklung auswirken.