Trotzdem drohen in Berlin 1.200 Ärzten Strafzahlungen für Medikamente
Berlin - Die von der Bundesregierung zu Jahresbeginn eingeführte Malus-Regelung zur Senkung der Arzneimittelausgaben ist nicht umsetzbar. Dies hat die Auswertung des ersten Quartals in Berlin ergeben, bei der die Verordnungen der niedergelassenen Ärzte in der Hauptstadt untersucht wurden.
"Die von den Krankenkassen bereitgestellten Daten sind derart fehlerhaft, dass eine rechtssichere Prüfung der Arzneimittelverschreibungen nicht möglich ist", kritisiert Burkhard Bratzke, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin. So haben die Kassen 6.700 Ärzte aufgelistet, von denen 25 Prozent gar nicht existieren. Auch Psychotherapeuten, die keine Medikamente verschreiben, stehen auf der Liste. Bratzke: "Wenn diese einfachen Angaben schon nicht stimmen, ist es mehr als fragwürdig, ob die Rezepte den Praxen richtig zugeordnet sind. Auf solch einer Basis darf kein Arzt in Regress genommen werden."
Nach der Malus-Regelung sollen Ärzte für Medikamente zahlen, wenn sie die vorgeschriebenen Durchschnittskosten für einen Wirkstoff um mehr als zehn Prozent überschreiten - auch wenn sie bei ihren Gesamtverordnungsvolumen sehr sparsam waren und unter dem Durchschnitt liegen. Sie haben keinen Anspruch, die ihnen angerechneten Verordnungen anhand der Originalrezepte zu überprüfen. In Berlin droht rund 1.200 Ärzten für das erste Quartal eine Strafzahlung. Sie sollen bei einzelnen Wirkstoffen auch teurere Präparate verordnet und dadurch die vom Gesetzgeber festgelegte Regressgrenze überschritten haben.
"Für relativ kleine Summen wird hier ein aufwendiges Prüfverfahren in Gang gesetzt", kritisiert Bratzke. Nach den vorliegenden Daten beläuft sich der durchschnittliche Regressbetrag pro Verfahren auf 60 Euro, berlinweit insgesamt auf 112.000 Euro. Anders als in Brandenburg haben die Kassen in Berlin nur einer niedrigen Bagatellgrenze zugestimmt. Dadurch werden bereits ab einer vermuteten Regresssumme ab acht Euro Prüfverfahren durchgeführt. "Und das, obwohl die Berliner Vertragsärzte in Gesamtheit bei allen Wirkstoffen die vorgegebenen Therapiekosten nicht nur eingehalten, sondern deutlich unterschritten haben", so Bratzke.
Ärzte, die nur sehr wenige Medikamente verschreiben, hatten dadurch kaum eine Möglichkeit, teure Arzneimittel durch preiswerte auszugleichen. Sie haben dann bei einem Wirkstoff den Zielwert häufig nicht erreicht. Bratzke: "Wenn nun diese Praxen für notwendige Medikamentenverordnungen bestraft werden, können sie diese Arzneimittel ihren Patienten nicht mehr verschreiben."
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin hatte bereits vor Inkrafttreten der Regelung mehrfach auf die Probleme der Malus-Regelung hingewiesen und jeden Bundestagsabgeordneten persönlich angeschrieben. Zehntausende Ärzte waren im vergangenen Jahr bundesweit auf die Straße gegangen, um auch gegen den Strafzoll zu protestieren.