Benachteiligung ist vorprogrammiert

Gesundheitspolitik

Euroforum "Zukunft der KV": KBV-Chef Köhler bricht eine Lanze für den Kollektivvertrag

BERLIN - Eine Lanze für ein solidarisches Gesundheitswesen hat der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Köhler in Berlin gebrochen. "Heute werden gerade die alten und kranken, die bildungsfernen Schichten und die sozial Schwachen durch das vom KV-System gespannte Netz aufgefangen", sagte der oberste deutsche Kassenarzt bei einem Euroforum-Kongress zum Thema "Zukunft der KV" und warb für ein Fortbestehen bewährter Strukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung.

"Ein ungeordneter Wettbewerb, in dem Einzelverträge ohne die Klammer des Kollektivvertrags die Versorgung organisieren, benachteiligt zwangsläufig diejenigen, die ihre Interessen nicht selbst erfolgreich durchsetzen können", warnte Köhler.

Bedroht sieht Köhler die gesetzlich Krankenversicherten aber auch die Ärzte durch eine neue Form der Zwei-Klassen-Medizin. Er warnte namentlich vor den Folgen einer mit der Einführung des Gesundheitsfonds vom Gesetzgeber geänderten Systematik, anhand von rund 100 festgelegten Diagnosen den sogenannten "Risikostrukturausgleich" zwischen den Krankenkassen neu zu regeln.
"Was passiert mit denjenigen Versicherten, die an einer im Risikostrukturausgleich nicht berücksichtigten Krankheit leiden? Für diese bekommt die Kasse keinen Zuschlag. Sie hat daher auch keinerlei Anreize, für diese Versicherten besondere Angebote zu machen", mahnte Köhler. "Die Benachteiligung dieser Versichertengruppe im zunehmenden Wettbewerb ist damit vorgrammiert."

Hintergrund: Krankenkassen unterschieden sich hinsichtlich des versicherten Risikos ganz erheblich. Der Gesetzgeber sieht einen sogenannten Risikostrukturausgleich vor, um eine gewisse Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Versorgung bundesweit zu gewährleisten.

Bislang war allein die Alterstsruktur maßgeblich, außerdem wurde die Zahl der erwerbsunfähigen Versicherten berücksichtigt. Ab 1. Januar 2009 soll im Zuge des finanziellen Ausgleich zwischen den Krankenkassen als zusätzlicher Risikofaktor die Morbidität stärker berücksichtigt werden. Das ab Januar 2009 geltende "Versichertenklassifikationsmodell" hebt ab auf eine eng gefasste Auswahl von rund 80 Erkrankungen – insbesondere mit schwerwiegendem Verlauf – und "kostenintensive chronische Krankheiten, bei denen die durchschnittlichen Leistungsausgaben je Versicherten die durchschnittlichen Leistungsausgaben aller Versicherten um mindestens 50 vom Hundert übersteigen". Als Krankheit in diesem Sinne gilt auch Schwangerschaft, beispielsweise aber nicht eine lebenslange, weil nicht heilbare, Hauterkrankung wie die Schuppenflechte.