AOK-Studie wirft Ärzte Ärzten zu geringe Arbeitszeit vor
BERLIN/BRAMSCHE - Arbeiten Deutschlands Fachärzte zu wenig für gesetzlich Krankenversicherte? Dies geht jedenfalls nach Meinung der AOK aus einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie hervor. Demnach entfallen bei Fachärzten 39 Stunden pro Woche auf die Behandlung von gesetzlich Versicherten. Damit beträgt die Minderleistung vieler Fachärzte 23 Prozent, sagte der stellvertretende Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes Jürgen Graalmann bei einem Presseseminar.
„Der Mann weiß einfach nicht, wovon er redet“, kommentierte BVDD-Präsident Dr. Michael Reusch im Rahmen seines Vortrages bei der 42. Walsroder Tagung in Bramsche die Pressemitteilung der AOK. Die Studie und die daraus resultierenden Pressemeldungen zeigten einmal mehr „das Phänomen der Wirklichkeitsverdrängung der politischen Klasse“, so Reusch.
Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Köhler wies die Vorwürfe entschieden zurück. In einer Pressemeldung der KBV sagte Köhler: „Seit Jahren erbringen die rund 137.000 niedergelassenen Ärzte wesentlich mehr Leistungen als sie bezahlt bekommen. Jetzt zu behaupten, die Ärzte arbeiteten zu wenig, ist eine Unverschämtheit“.
Mit seinen Äußerungen missachte der designierte Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, den Einsatz und das Engagement der Vertragsärzte, die trotz Unterfinanzierung für ihre Patienten da seien – im Notfall auch am Wochenende und nachts. Köhler: „Nur dadurch haben wir in Deutschland noch Wartezeiten, die sich im europäischen Vergleich im Rahmen halten.“
Im Übrigen seien Vertragsärzte nur verpflichtet, mindestens 20 Sprechstunden in der Woche anzubieten. „Dies sieht eine vertragliche Regelung vor, die auch die Krankenkassen unterschrieben haben“, betont der KBV-Chef.
In der Pressemitteilung behauptet die AOK: „Versorgungsdefizite wie zu lange Wartezeiten von gesetzlich Versicherten auf einen Termin beim Facharzt sind vor allem auf zu geringe Arbeitsstunden zurückzuführen.“ Aus der repräsentativen Umfrage des Instituts Psychonomics gehe hervor, dass ein Großteil der Hausärzte 60 Stunden in der Woche arbeiten, Fachärzte dagegen nur 50. Bei Hausärzten entfallen 47 Stunden auf die Behandlung von gesetzlich Versicherten sowie entsprechende Abrechnung und Praxisverwaltung, bei Fachärzten läge der Anteil bei 39 Stunden. Dagegen seien 51 Wochenstunden die Kalkulationsgrundlage für die Honorarvereinbarung im Erweiterten Bewertungsausschuss von KBV und GKV-Spitzenverband. Davon entfielen 44,6 Stunden auf sogenannte patientenunmittelbare Tätigkeiten wie Sprechstundenzeiten und auch Befundungen und oder andere Tätigkeiten, bei denen der Versicherte nicht anwesend sein muss. Die restlichen 6,4 Stunden stünden der Kalkulation zufolge für die Praxisorganisation wie Einweisung des Personals oder Besprechungen von Praxisabläufen zur Verfügung.
AOK-Vize Graalmann forderte die KVen auf, dafür zu sorgen, dass die Vertragärzte den gesetzlich Versicherten die vereinbarte Arbeitsleistung nicht länger vorenthalten. Wenn die Vertragsärzte die vergüteten Versorgungskapazitäten auch vollständig leisten würden, könnte die ambulante Versorgung ohne erneute zusätzliche Kosten für die Beitragszahler verbessert werden, so Graalmann.