CDU/CSU und FDP bei einigen Punkten noch weit auseinander

Gesundheitspolitik

Koalitionsverhandlungen zum Versorgungsgesetz im vollen Gange

BERLIN - CDU/CSU und FDP sind sich einig: bis zum Sommer soll ein „Versorgungsgesetz“ stehen. Auf welche Festsetzungen sich die Koalition aber letztlich einigt, scheint offen. Nachdem die Union bereits vor einigen Wochen ihre Vorschläge einbrachte und das 14-Punkte-Papier inzwischen auch offiziell von der Fraktion beschlossen wurde, legte die FDP jetzt mit eigenen Vorschlägen nach. Dabei zeichnet sich nach ersten Verhandlungen in der Koalition ab, dass die Vorstellungen an einigen Punkten noch weit auseinander liegen.

Dem Ärztemangel, vor allem in ländlichen Gebieten, begegnen und die Versorgung der Patienten im Allgemeinen zu verbessern: in den Zielen, die mit einem Versorgungsgesetz erreicht werden sollen, sind sich die Koalitions-Partner einig. Schon ab 2012 soll das Gesetz neue Grundlagen für die medizinische Versorgung in Deutschland bieten. Der Zeitplan von Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler sieht vor, dass im Sommer die Verhandlungen in der Koalition abgeschlossen sind und ein Gesetzentwurf ins parlamentarische Verfahren entlassen werden kann.
Nach der ersten Koalitionsrunde zeigte sich, dass die Partner in wesentlichen Punkten noch weit auseinander sind. Die von CDU/CSU geforderte kleinräumigere Bedarfsplanung mit „sektorenübergreifenden Versorgungsausschüssen“, in denen auch der Kommunalpolitik ein Mitspracherecht eingeräumt wird, wird von der FDP als zu bürokratisch abgelehnt. „Man darf Bürokratie und Planwirtschaft nicht forcieren“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Man könne Ärzte nicht per Gesetz in strukturschwache Regionen zwingen. Stattdessen setzt die FDP auf Freiwilligkeit. Mit „echten Anreizen“ sollen junge Ärzte in unterversorgte Gebiete gelockt werden. Der Vorschlag der FDP, hier die Budgetierung durch Regelleistungsvolumen auszusetzen und eine EBM-Abrechnung für alle Leistungen ohne Mengenbegrenzung zuzulassen fand dabei sie Zustimmung der Union.
Streit auch an dem Punkt, wie mit freiwerdenden Praxen in überversorgten Gebieten umgegangen werden soll. Die CDU/CSU will im Gesetz festschreiben, dass diese Sitze nicht wieder besetzt werden dürfen. „Die bisherige Praxis, bei der das Recht zur Abrechnung mit den Krankenkassen in Deutschland quasi vererbt und verkauft werden kann, ist zu beenden“, heißt es dazu im Unionspapier. Die auflassenden Ärzte sollen lediglich für den Wert der Praxis entschädigt werden. Das geht der FDP entschieden zu weit. Sie will lediglich die Möglichkeiten der KVen, frei werdende Kassensitze zurück zu kaufen, verbessern. Auch Ärzteverbände hatten mit harscher Kritik auf den CDU-Vorschlag reagiert. „Die CDU meint, sich im Zusammenhang mit der Problematik freiwerdender Arztsitze mit nicht hinnehmbaren Enteignungs-Szenarien profilieren zu können", sagte etwa der Vorsitzende der Freien Ärzteschaft Martin Grauduszus.
Der Vorschlag der FDP, Modellregionen zur Kostenerstattung einzuführen, scheint gegen die Union kaum durchsetzbar. „Selbst dann, wenn die FDP die absolute Mehrheit gewinnen würde, wird die Kostenerstattung nicht kommen", sagte Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, der Ärztezeitung. FDP-Gesundheitsexperte Dr. Erwin Lotter hatte gegenüber dem ärztlichen Nachrichtendienst (äND) gesagt: „Unseren Vorstellungen nach soll es Testregionen geben, in denen die Ärzte Rechnungen schreiben, die Krankenkassen direkt begleichen. Die Ärzte rechnen nach der GOÄ mit einem gewissen Steigerungsfaktor ab – und die Kassen zahlt, ohne dass der Patient vorher einspringen muss.“
Im Gesamtpaket eher Marginalien, aber sehr öffentlichkeitswirksam, sind zwei weitere CDU-Vorschläge: während die verpflichtende Einführung von Zwei-Bett-Zimmern im Krankenhaus vom Tisch zu sein scheint, streiten sich die Koalitionäre öffentlich über die Terminvergabe beim Facharzt. Die CDU Forderung, das Kassenpatienten innerhalb von drei Wochen einen Termin bekommen müssen, weißt Rösler zurück. „Fakt ist: es gibt zu wenig Ärzte, die überhaupt noch Termine vergeben können. Eine gute Versorgungssituation kann man nicht einfach per Gesetz bestimmen“, sagte Rösler „Der Welt“.
In weiteren Punkten, etwa fünf Prozent der Medizinstudienplätze für Bewerber, die sich verpflichten, in unter versorgte Gebiete zu gehen, freizuhalten, herrscht weitgehend Einigkeit in der Koalition. So zeigten sich deren Vertreter nach der ersten Runde trotz aller Differenzen zufrieden mit den Gesprächen. „Auf der Grundlage großer Gemeinsamkeiten gehen wir in die nächste Runde“, sagte Rösler. Diese ist auf den 17. März terminiert.
Neben den Verhandlungen auf Bundesebene diskutiert das BMG auch mit den Ländern über die künftige medizinische Versorgung. Hier ist es der einhellige Wunsch, stärker auf die Planung Einfluss nehmen zu können. Eine Einbeziehung der Länder ist unumgänglich – das Versorgungsgesetz ist zustimmungspflichtig und kann so ohne die Zustimmung der Länder im Bundesrat nicht in Kraft treten.
Mit Hinweis auf das Versorgungsgesetz wurde derweil die Reform des Ärzte-Abrechnungssystems auf unbestimmte Zeit verschoben. Vorgesehen war, die Abrechnungen für ambulante Behandlungen detaillierter zu gestalten und somit wirtschaftlicher zu machen. Kernpunkt des Gesetzes sind die in den vergangenen Wochen heftigst diskutierten neuen ambulanten Kodierrichtlinien.

Lesen Sie in der März-Ausgabe von „DER DEUTSCHE DERMATOLOGE“ einen ausführlichen Bericht über die anstehenden Reformen und dazu ein Interview mit CDU-Gesundheitsexperte Dr. Rolf Koschorrek