Entlastung für chronisch Kranke in vielen Fällen nur mit Genehmigung der Krankenkasse

BerlinGesundheitspolitik

Bei der Kassengebühr wird nachbessert. Und auch Patienten mit einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung können aufatmen. Sie benötigen vorerst nicht zwingend einen Nachweis über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit oder über Pflegebedürftigkeit, um bei den Kosten für die medizinische Behandlung entlastet zu werden.

Bei der Kassengebühr wird nachbessert - Patienten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankung können aufatmen.

Vielmehr genügt eine ärztliche Bescheinigung:

  • dass eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) mindestens einmal im Quartal erforderlich ist und,
  • dass ohne diese Behandlung „eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität” zu erwarten ist. Das ist das Ergebnis eines nahezu sechsstündigen Sitzungsmarathons im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), an dem neben Vertretern der Ärzte und der Krankenkassen mit beratender Stimme erstmals auch ein Patientenvertreter beteiligt war.

Die Bescheinigung des Arztes muss der Krankenkasse vorgelegt werden. Die Krankenkasse prüft die Einstufung als chronisch schwerwiegende Erkrankung. Im Zweifelsfall wird der Medizinische Dienst der Krankenkassen eingeschaltet.
Mit dieser Entscheidung schwächt der GBA eine weit restriktivere Regelung ab, die sein Vorgänger, der Bundesausschuß Ärzte und Krankenkassen, nur sechs Wochen zuvor in seiner letzten Sitzung am 1. Dezember als Vorlage für eine förmliche Anhörung veröffentlicht hatte. Demnach wäre die sogenannte „Chronikerregel” nur bei Patienten zum Zuge gekommen, die mindestens zweimal im Quartal einen Arzt aufsuchen müssen und eine Pflegebedürftigkeit der Stufe 2 oder 3 oder aber eine Erwerbsminderung von mindestens 60 Prozent vom zuständigen Versorgungsamt bescheinigt bekommen. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte sich von diesem Konzept umgehend distanziert. Die jetzt mit Beteiligung von Patientenvertretern gefundene Regelung orientiert sich an Grundsätzen der geltenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das Bundesgesundheitsministerium hatte bereits während der laufenden GBA-Sitzung signalisiert, die neue Regelung nicht zu beanstanden, so dass diese postwendend seit dem 23. Januar angewendet werden kann.

Wie der Leiter des neu konstituierten Gemeinsamen Bundesausschusses, Dr. Rainer Hess, vor Presse, Rundfunk und Fernsehen betonte, sei allen Beteiligten klar, dass mit der jetzt getroffenen Vereinbarung die im Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen Einsparziele nicht mehr zu halten seien. Mit der neuen Bestimmung ist aber die Forderung nach verbindlichen Listen chronischer Erkrankungen nicht vom Tisch. Die notwendigen Vorarbeiten soll auf Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses das neue Institut zur Sicherung der Qualität in der Medizin übernehmen. Eine Öffnungsklausel sieht auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuß in seiner ersten Arbeitssitzung verabschiedete Regelung für die Erstattung von Krankenfahrten vor. Generell erstattet werden demnach Krankenfahrten gehbehinderten Patienten, Blinden und besonders Hilfsbedürftigen mit dem Eintrag AG, Bl oder H in ihrem amtlichen Behindertenausweis.
Das gilt auch für Patienten, die an einer „Grunderkrankung” leiden, die „eine bestimmte Therapie erfordert, die häufig und über einen längeren Zeitraum erfolgen muss” und die „Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf beeinträchtigen den Patienten in einer Weise, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist”.
Auch Fahrten zur ambulanten Dialyse, zur onkologischen Strahlentherapie oder onkologischen Chemotherapie können als Ausnahmefall weiterhin verordnet werden.

Die Krankenkassen haben sich darüber hinaus in vergleichbaren Fällen verpflichtet, auf ärztliche Verordnung Fahrten zur ambulanten Behandlung von Versicherten auch ohne amtlichen Nachweis zu genehmigen.
Nachgebessert haben die Spitzenverbände der Krankenkassen im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium jetzt auch bei der Praxisgebühr. In „planbaren“ Notfällen sind die Patienten von der Zehn-Euro-Zuzahlung befreit. Überweisungen können unter bestimmten Bedingungen in solchen Notfällen dann auch im Folgequartal praxisgebührenfrei in Anspruch genommen werden.

Als „planbar“ gelten Notfälle, wenn ein Patient auf Anraten des Arztes den Notdienst aufsucht, beispielsweise um am Wochenende einen Verband wechseln zu lassen. „Wenn jemand wegen derselben Erkrankung mehrfach die Notfallambulanz aufsuchen muss, braucht er ebenfalls nur beim ersten Mal die Praxisgebühr zu bezahlen.“ Das erklärte der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler nach einem Spitzengespräch. Die Krankenkassen seien hier einem Vorschlag der KBV gefolgt.