Fehlsteuerung: Demnächst neue Wartelisten bei ambulanten Operationen?

Gesundheitspolitik

Fachärzte und KBV wehren sich gegen weitere Rationierung

BERLIN - Obwohl ein Zuwachs beim Ambulanten Operieren in der gesetzlichen Krankenversicherung ein immenses Sparpotenzial birgt, unterliegen ambulante Operateure nach den jüngsten Reformen neuen Beschränkungen: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesverband Ambulantes Operieren (BAO) haben in einer gemeinsamen Pressekonferenz deutliche Kritik geübt: Sinnvolles Wachstum in diesem innovativen Leistungsbereich werde durch enge Budgetgrenzen bestraft, gleichzeitig sollen bis jetzt gezahlte Zuschläge künftig entfallen.

Per Gesetz gilt das Ambulante Operieren als „besonders förderungswürdige Leistung“. Dennoch hinkt Deutschland auf diesem Gebiet anderen Industrienationen weiterhin hinterher. Arthroskopische Operationen von Meniskusschäden am Kniegelenk beispielsweise finden nach Angaben der Veranstalter in anderen europäischen Ländern in durchschnittlich 90 Prozent der Fälle ambulant statt, in Deutschland hingegen liege die entsprechende Rate derzeit nur bei 32,5 Prozent, hieß es dazu in Berlin.

 

Mit Blick auf ein Gutachten aus dem Jahr 2010 rechnet BAO-Vizepräsident Dr. Ansgar Pett vor: „Verglichen mit den Kosten des stationären Aufenthaltes bei einer Verweildauer von einem Tag, könnten bei ambulanter Durchführung pro Fall rund 290 Euro eingespart werden. Hochgerechnet auf 25 typische ambulante Eingriffe, könnte das deutsche Gesundheitswesen pro Jahr zwischen 26 und 520 Millionen Euro einsparen.“


Doch obwohl ein Zuwachs beim Ambulanten Operieren für das Gesundheitssystem ein immenses Sparpotenzial birgt, unterliegen ambulante Operateure nach dem aktuellen GKV-Finanzierungsgesetz (GKVFinG) neuen widersinnigen Beschränkungen: Sinnvolles Wachstum in diesem innovativen Leistungsbereich wird durch enge Budgetgrenzen bestraft, gleichzeitig sollen bisherige Zuschläge für ambulante OP am Krankenhaus (§115b SGB V) künftig entfallen. Dr. Dieter Haack, Präsident des Berufsverbands niedergelassener Chirurgen (BNC), erklärte dazu: „Anstelle leistungsgerechter Honorare erhalten wir abgesenkte Punktwerte, die jeglicher betriebswirtschaftlicher Berechnungsgrundlage entbehren.“

Gemeinsam mit dem BAO und dem BNC wenden sich auch andere fachärztliche Berufsverbände gegen eine Ausgabenbegrenzungspolitik, deren Folgen am Ende vor allem die Versicherten tragen müssen: „Die Politik wendet sich nicht nur gegen die niedergelassenen Fachärzte, sondern auch gegen deren Patienten, die unter anderem aus Angst vor Infektionen vermehrt Operationen ohne Klinikaufenthalt beim hoch spezialisierten niedergelassenen Facharzt wünschen. Wenn unsere Budgets aufgebraucht sind, werden sich viele auf längere Wartezeiten einstellen müssen – oder aber sie werden von vornherein in ein
Krankenhaus eingewiesen“, warnt beispielsweise Elmar Mertens vom Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA).

 

Auch der Verband der operativ und anästhesiologisch tätigen niedergelassenen Ärzte in Deutschland (LAOH), der Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen (BDOC) und der Berufsverband der Niedergelassenen Gastroenterologen (bng) unterstützen den BAO bei seinem Protest.

„Man muss sich einmal vor Augen halten, dass es um Leistungen geht, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung – also von den Krankenkassen und der KBV – als ‚besonders förderungswürdig’ eingestuft worden sind.“ Jetzt sei die Rede von „Einsparungen medizinisch nicht notwendiger Leistungen“, verdeutlichte der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Köhler, die Kritik der ärztlichen Selbstverwaltung.

 

„Zu diesen Leistungen zählt auch das Ambulante Operieren, obwohl es nachweislich qualitativ mindestens genauso gut ist wie das Operieren im Krankenhaus, gleichzeitig aber deutlich kostengünstiger ausfällt. Das ist nicht nur ein deutlicher Widerspruch, sondern konterkariert auch das politische Ziel, Einsparungen zu erzielen", unterstrich Köhler, der bei der Anhörung im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens die Mitglieder des Gesundheitsauschusses bereits auf diesen inneren Widerspruch der Reform hingewiesen hatte.