Ein Drittel der Wählerstimmen wird nicht mehr berücksichtigt
DÜSSELDORF - Was jahrzehntelang zum guten Ton gehörte, zählt offenbar in der Ärztekammer Nordrhein nicht mehr: Alle Fraktionen in den Kammergremien gerecht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Ärztebündnis Nordrhein (ÄBN) setzt die Koalition aus Marburger Bund (MB) und Hausärzten (VoxMed) mit ihrer Majorität einzig ihre Interessen durch und ruiniert damit den innerärztlichen Konsens.
„Die Mehrheit von Marburger Bund und VoxMed in der Kammerversammlung verabschiedet sich von den jahrzehntelangen Gepflogenheiten eines kollegialen Miteinanders“, erklärte Dr. Klaus Strömer, ÄBN-Fraktionsmitglied und BVDD-Landesvorsitzender von Nordrhein, anlässlich einer Personalentscheidung während der letzten Kammerversammlung. Dort hatten Marburger Bund und VoxMed ihre Stimmenmehrheit ausgespielt und erneut einen Vertreter des Marburger Bundes in den Vorstand gewählt, obwohl nach Auffassung des Ärztebündnis Nordrhein dieser Sitz der ÄBN-Fraktion zugestanden hätte.
Bei den Wahlen zur Landesärztekammer Nordrhein im Frühjahr hatte das Ärztebündnis Nordrhein 41 Sitze von 121 erlangt. Im Vorstand hat das ÄBN aber nur vier Sitze, genauso wie die Fraktion VoxMed, die 27 Mitglieder in der Kammerversammlung stellt. VoxMed besteht vor allem aus Mitgliedern des Hausärzteverbandes Nordrhein und Fachärzten. Acht Vorstandsmitglieder gehören dem Marburger Bund an. Die MB-Fraktion hat 53 Mitglieder. Legt man das sogenannte D’Hondt-Verfahren – eine Methode der proportionalen Repräsentation – zugrunde, müsste das ÄBN sechs Vorstandssitze erhalten.
„Die Fraktion des Ärztebündnis Nordrhein zeigt sich aufgrund der aktuellen Personalentscheidungen in der Ärztekammer zum wiederholten Mal tief enttäuscht von der Vorgehensweise der Kammerversammlungsmehrheit bei der Besetzung der Gremien“, konstatierte Strömer. Im Mittelpunkt der Kritik steht vor allem der Präsident der LÄK Nordrhein, Rudolf Henke, der zugleich Bundesvorsitzender des Marburger Bundes ist und in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine führende Rolle in der Gesundheitspolitik spielt.
Bereits vor der Wahl der Vorstandsmitglieder auf der konstituierenden Kammerversammlung im Sommer habe Henke in Gesprächen klar gemacht, dass die Besetzung des Gremiums nicht mehr entsprechend der Mehrheiten in den Fraktionen der Kammerversammlung erfolgen werde, sondern mithilfe der Mehrheiten in der Versammlung zu Gunsten der Mehrheitskoalition von Marburger Bund und VoxMed. „Auch bei der jetzigen Nachbesetzung eines Vorstandsmitglieds wurde keine Rücksicht auf die tatsächlichen Vertretungsverhältnisse in der Kammerversammlung genommen“, betonte Strömer.
Das gleiche Bild zeigt sich bei der Besetzung der Vorstandsausschüsse: Hier wurden ebenfalls ausschließlich Mitglieder von VoxMed und Marburger Bund zu Vorsitzenden bestimmt. „Damit werden in den nächsten fünf Jahren mehr als ein Drittel der Nordrheinischen Ärzte bei den Entscheidungen im Vorstand und in den Ausschüssen nicht entsprechend des Wählervotums ausreichend berücksichtigt“, unterstrich Strömer. Dass Henke einen derartigen Eingriff in die parlamentarische Arbeit der ärztlichen Selbstverwaltung zulasse, sei „bemerkenswert und unverständlich.“
Frühere Kammerpräsidenten, so Strömer, hätten allen Fraktionen eine nach D`Hondt berechnete Beteiligung an allen Ärztekammergremien nicht nur gewährt, sondern diese auch erwartet. „Der etablierte Weg einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit, wie er in den letzten Legislaturperioden zwischen allen Fraktionen gepflegt wurde und der sich in der Sache äußerst bewährt hat, ist verlassen worden“, lautete sein Fazit.