Kostendämpfung treibt seltsame Blüten in Nordrhein-Westfalen

Gesundheitspolitik

Landesbeamte müssen bestimmte Medikamente selbst zahlen

DÜSSELDORF/AACHEN - Die klamme Haushaltslage treibt in Nordrhein-Westfalen seltsame Blüten. Seit Mai 2010 sind per Runderlass des Finanzministeriums magistrale Rezepturen für Landesbeamte grundsätzlich nicht mehr erstattungsfähig. Der Aachener Hautarzt Prof. Albert A. Hartmann, hat eine Initiative gestartet, mit dem Ziel diese bundesweit beispiellose Einschränkung der Patientenversorgung zu stoppen.

Hartmann hatte einem beihilfeberechtigten Bediensteten der Stadt zur Behandlung seiner entzündlichen Hauterkrankung nicht ein Fertigarzneimittel, sondern aus medizinischen Gründen eine von der Apotheke herzustellende kortisonhaltige Salbe verordnet. Die zuständige Beihilfestelle lehnte eine Erstattung der Kosten ab und berief sich auf einen Runderlass des Finanzministeriums vom April 2010. Darin heißt es wörtlich: „Beihilfefähig sind ausschließlich Fertigarzneimittel, ... Selbsthergestellte Mischungen – auch von Fertigarzneimitteln – sind wissenschaftlich nicht geprüft und daher grundsätzlich nicht beihilfefähig.“


Hintergrund für die Verwaltungsvorschrift ist ein Kostendämpfungsgesetz aus dem Frühjahr 2009, das in dieser Form nahezu alle Bundesländer verabschiedet haben. Darin werden die Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Erstattungsfähigkeit von Arzneimittelverordnungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung im großen Stil auf die Beihilferegelungen für Landesbeamte übertragen. Magistrale Rezepturen sind allerdings in der GKV keineswegs von der Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen, wie der Gemeinsame Bundesausschuss auf Nachfrage bestätigt.

 

In Nordrhein-Westfalen gibt es allerdings eine weitere Abweichung von der gesetzlichen Angleichung an die G-BA-Bestimmungen: Aufwendungen für als Arzneimittel zugelassene Basiscremes, Basissalben, Haut- und Kopfhautpflegemittel, ja selbst Rezepturgrundlagen können Landesbeamten auch in Zukunft erstattet werden, „soweit und solange sie Teil der arzneilichen Therapie sind und nicht der Färbung der Haut und – anhangsgebilde sowie der Vermittlung von Geruchseindrücken dienen.“ Namentlich wird die Intervall-Therapie bei Neurodermitis/endogenen Ekzem, Psoriasis, Akne-Schältherapie und Strahlentherapie genannt.

 

Gesetzlich krankenversicherte Neurodermitiker und Psoriatiker müssen diese Kosten bereits seit Jahren aus der eigenen Tasche zahlen. Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen, die Deutsche Dermatologische Gesellschaft und das Competenzzentrum für Versorgungsforschung in der Dermatologie hatten diese Pläne in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2005  zurückgewiesen und auf die Gefahren einer Unter- und Fehlversorgung der Betroffenen hingewiesen – damals vergeblich.


Der fachlich begründete Protest Hartmanns  gegen die Nichterstattung eines regelrechten Arzneimittels,  der von den Spitzenverbänden der Dermatologie in Deutschland mitgetragen wird, zeigt inzwischen eine erste Wirkung. Jetzt soll ein Fachgespräch im Finanzministerium zunächst einmal den Sachverhalt klären, wie die zuständige städtische Beihilfestelle auf Nachfrage mitteilte.