Heftige Debatte um Praxisgebühr losgetreten
DÜSSELDORF/HAMBURG/BERLIN - Der Eine (KV Nordrhein-Chef Dr. Leonhard Hansen) fordert in einem Interview mit der Rheinischen Post eine Erhöhung der Praxisgebühr: fünf bis zehn Euro für jeden Arztbesuch, für den direkten Gang zum Facharzt sollen 20 bis 25 Euro zu berappen sein, so Hansens Vorschlag, um die seiner Meinung nach überdurchschnittlich hohe Zahl der Arztbesuche zu verringern.
Der Andere (Dieter Bollmann, Vorstands-Vorsitzender KV Hamburg) fordert im Gegenzug die Abschaffung der Gebühr. „Diese Pauschale hat ihr Ziel verfehlt“, sagte Bollmann dem Radiosender NDR 90,3. Die Gebühr trage kaum zur Finanzierung des Gesundheitssystems bei, zudem habe sich gezeigt, dass sie keinerlei Steuerungsfunktion habe, um Menschen von medizinisch nicht unbedingt notwendigen Arztbesuchen abzuhalten, sagte Bollmann. Sein Vorschlag: eine prozentuale Selbstbeteiligung, ohne dabei sozial schwache Menschen auszugrenzen. „Ziel muss es sein, das Ärzte sich künftig um weniger Patienten gründlicher kümmern könnten.“, so Bollmann.
Zwischen den Stühlen scheint die KBV zu sitzen: während ihr Sprecher Dr. Roland Stahl zur Agentur AFP sagte, „auch wenn das Thema unpopulär ist, so ist es doch richtig, über eine Verschärfung der Praxisgebühr zu diskutieren“, distanzierte er sich zwei Tage später in einem Interview gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger (KStA) von der Idee: „Eine Debatte über mehr Selbstverantwortung der Versicherten ist grundsätzlich notwendig, aber nicht unbedingt in Form höherer Selbstbeteiligung. Wir reden einer Ausweitung der Praxisgebühren jedenfalls nicht das Wort.“
Einhellige Ablehnung fand Hansens Vorschlag bei Politik, Kassen und Patientenvertretern. „Es ist ein Armutszeugnis, wenn sich die Kreativität von Ärztevertretern darin erschöpft, die ohnehin durch Zuzahlungen und Beiträge stark belasteten Patienten weiter abkassieren zu wollen“, sagte der AOK-Chef Rheinland/Hamburg dem KStA. Das Bundesgesundheitsministerium wollte den Ball flach halten: „Es wird keine höheren Zuzahlungen und keine höhere Praxisgebühr geben. Da ist nichts geplant.“, sagte ein Sprecher. Der SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach nannte gegenüber dem KStA den Vorschlag „absurd“, seine SPD-Kollegen im Bundestag lehnten den Vorschlag ebenfalls umgehend ab, während sich FDP und Union nicht äußern wollten. Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung Helga Kühn-Mengel wies bei einer internen Veranstaltung sowohl Hansens als auch den Vorschoß von Ärztepräsident Hoppe (siehe eigenen Bericht) als nicht zu akzeptierend Belastung für die Versicherten entschieden zurück.