KVB lehnt Einführung in jetziger Form ab

Gesundheitspolitik

Versorgungsgesetz: neuer 116b stößt auf Widerstand

KIEL/MÜNCHEN - Die im Versorgungsgesetz vorgesehene Einführung einer spezialärztlichen Versorgungsebene (§116b SGB V) stößt bei der Ärzteschaft auf Widerstand. Nachdem schon die KBV-Vertreterversammlung die neue Norm kritisch hinterfragt hatte, lehnte jetzt als erste KV die KV Bayern die Einführung kategorisch ab.

Mit dem Referentenentwurf des „Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG/Versorgungsgesetz) wird eine neue Versorgungsebene geschaffen: die der „ambulanten spezialärztlichen Versorgung“. Sie soll die Behandlung und Diagnostik komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern, abdecken, darunter etwa onkologische Erkrankungen oder ambulante OPs aus dem Katalog des §115b.
„An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und (...) zugelassene Krankenhäuser sind berechtigt, Leistungen der ambulanten spezialärztlichen Versorgung zu erbringen“ – mit dem Absatz 2 hebt der Gesetzgeber die Trennung zwischen ambulant und stationär auf und begründet eine neue Konkurrenz zwischen Kliniken und Niedergelassenen.
Schon bei der KBV-Vertreterversammlung am Vortag des Ärztetages war die Neuerung auf wenig Gegenliebe gestoßen. „Der 116b in seiner jetzigen Entwurfsform ist für mich Wildwest“, sagte Dr. Wolfgang-Axel Dryden, KV-Chef Westfalen-Lippe. Auch andere Delegierte wandten sich vehement gegen die Regelung. Besonders umstritten dabei war, wie der Wettbewerb zwischen ambulant und stationär unter fairen und gleichen Bedingungen geregelt werden soll.
Mit großer Mehrheit (lediglich drei Nein-Stimmen) fordert die VV den Vorstand auf, „sich im Gesetzgebungsverfahren bezüglich der Erbringung ambulanter spezialärztlicher Leistungen nach 116b im Sinne einer sektorenverbindenden Versorgung dafür einzusetzen, dass bei der Organisation (Zulassung, Qualitätssicherung, Vergütung) dieser Leistungen zur Vermeidung unnötiger zusätzlicher Bürokratie die Abwicklung über die KVen erfolgt.“

Die KV Bayern (KVB) geht in ihrer Ablehnung einen Schritt weiter: sie sieht im 116b eine existenzielle Gefährdung der niedergelassenen Fachärzte und fordert, dass die Norm in „dieser Form nicht umgesetzt werden darf“.
Bei einem Treffen der KVB Vorstände Dr. Pedro Schmelz und Dr. Ilka Enger mit rund 30 Vertretern fachärztlicher Berufsverbände war man sich einig, dass bei einer Aufhebung der strikten Trennung von ambulanten und stationärem Sektor wichtige Grundsätze geklärt und verbindliche Spielregeln definiert werden müssen, wie die KVB in einer Pressemeldung mitteilt. Besonders kritisiert wurde, dass in der spezialärztlichen Versorgung keine arztbezogene Qualitätssicherung vorgesehen ist. Während niedergelassene Ärzte dem so genannten Facharztstandard mit hohen Qualifikationsanforderungen verpflichtet sind, könnte die gleiche spezialärztliche Leistung nach Stand im Krankenhaus auch von einem Assistenzarzt erbracht werden. Zudem kritisierten die Teilnehmer der Veranstaltung, dass spezialärztliche Leistungen nicht länger Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung wären und somit nicht dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen unterlägen. Auch die geplante Form der Honorierung der Leistungen in der spezialärztlichen Versorgung birgt Zündstoff: Dass Kliniken Geräte nutzen, die aus öffentlicher Hand finanziert werden, während Ärzte in eigener Praxis ihre Investitionen selbst erwirtschaften müssen, sei mit einem Investitionskostenabschlag von nur 5 Prozent bei Kliniken nicht angemessen berücksichtigt. Ebenso müssten die Niedergelassenen eine Reduzierung der für die ambulante Versorgung zur Verfügung stehenden Gelder in Höhe der spezialärztlich erbrachten Leistungen hinnehmen, während im stationären Sektor keine solche Bereinigung vorgesehen sei.

„Der 114. Deutsche Ärztetag begrüßt die Absicht der Bundesregierung, im Rahmen des geplanten Versorgungsgesetzes bei Erkrankungen und Leistungen mit besonderem fachärztlichen Versorgungsbedarf eine bessere, auch sektorenübergreifende Verzahnung der fachärztlichen Leistungen anzustreben", lautete dagegen ein Beschluss des Ärzteparlaments. Das Leitprinzip für die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen müsse aber die Optimierung der Patientenversorgung bei freiem Arztwahlrecht sein. „Dabei darf nicht eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Organisationsformen die Versorgungswirklichkeit prägen, sondern notwendig sind vor allem Integration und Kooperation. Diesem Ziel muss auch die Gestaltung der Überweisungswege folgen“, heißt es in dem Beschluss.
Der in Kiel aus dem Amt geschiedene Präsident der BÄK, Prof. Jörg-Dietrich Hoppe, sprach sich bei einer Pressekonferenz dafür aus, auch die Vergütungsgrenzen aufzuheben und ein Globalbudget einzuführen.