Prognose: Kostendämpfung scheitert an der Versorgungsrealität

Gesundheitspolitik

Anhörung zum GKVFinG zeigt ungelöste Widersprüche auf

BERLIN - Die geplante Kostendämpfungspolitik im Gesundheitswesen stößt an ihre Grenzen. Es drohen Unterversorgung und massive Qualitätseinbußen. Das hat die Anhörung zum geplanten GKV-Finanzierungsgesetz im Deutschen Bundestag gezeigt.

Bei den ambulanten Operationen und anderen sogenannten freien Leistungen sieht die Kassenärztliche Bundesvereinigung lediglich regionale Sondervereinbarungen betroffen, nicht aber bundesweite Reglungen des Bewertungsausschusses zu besonders förderungswürdigen Leistungen, wie KBV-Vorstand D. Andreas Köhler den Gesundheitsausschussmitgliedern verdeutlichte.


Eine Kostendämpfung sei absolut kontraproduktiv zu der von Krankenkassen und Kassenärzten gemeinsam angestrebten Förderung, argumentierte KBV-Vorstand Dr. Andreas Köhler bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Höhere Folgekosten oder die Anwendung noch teurerer Alternativverfahren seien die Folge. Im Übrigen werde der vertragsärztliche Versorgungsbereich durch die geplante Deckelung bei den ambulanten Operationen und anderen stationsersetzenden Verfahren gegenüber den Krankenhäusern drastisch benachteiligt, die nach dem aktuellen Stand der GKV-Finanzierungsreform diese weiterhin uneingeschränkt zum vollen Preis abrechnen könnten. Halte der Gesetzgeber an einer uneingeschränkten Deckelung sämtlicher freien Leistungen fest, schaffe dies Anreize, Leistungen von ambulant nach stationär zu verlagern.


Hintergrund: Der Koalitionsentwurf des ”Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ will mit einer Begrenzung des Zuwachses um eine feste Größe eine "medizinisch nicht begründbare Ausgabenentwicklung" bei den extrabudgetären Leistungen treffen. Eine Ausnahmeregelung soll lediglich für die gesetzlichen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen sowie seit dem Jahr 2009 neu eingeführten ärztlichen Leistungen wie die ambulante Balneo-Phototherapie gelten.


Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbandes umfasst die Gesetzesvorlage tatsächlich auch die ambulanten Operationen. Er hält jedoch die gesetzlich geregelte Kostendämpfung der freien Leistungen in der Versorgungswirklichkeit für nicht durchsetzbar, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg vor den Gesundheitspolitikern des Parlaments unterstrich. Es wird nicht gelingen, eine Begrenzung der Dynamik vorzunehmen", betonte von Stackelberg. Im Gegenteil: diese Dynamik werde weiter zunehmen.


Gleichzeitig forderte er für die gesetzlichen Krankenkassen eine konsequentere Sparpolitik bei den Gesundheitsausgaben. ”Wir hätten uns gewünscht, dass es eine Nullrunde bei den Ärzten gibt.“
Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), den kommunalen Spitzenverbänden und den Ärzteverbänden gehen die geplanten Kostendämpfungen dagegen zu weit.


Vorgesehen sind in dem Gesetzentwurf für das kommende Jahr Einsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro und im Jahr 2012 in Höhe von 4 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch die erwarteten Ausgabensenkungen aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (17/2413) in Höhe von knapp 2 Milliarden Euro, das ebenfalls zum 1. Januar 2011 in Kraft treten soll.


Hausärzte sollen 500 Millionen Euro und Kliniken 450 Millionen Euro einsparen. Nach Vorstellungen der Regierung müssen Zahnärzte im kommenden Jahr auf 20 Millionen Euro und im Jahr 2012 auf 40 Millionen Euro verzichten. Die Regierung plant weiterhin, dass die Verwaltungskosten der Krankenkassen in den Jahren 2011 und 2012 im Vergleich zu diesem Jahr nicht steigen. Das soll Einsparungen von pro Jahr 300 Millionen Euro bringen.


Angesichts der guten Konjunkturentwicklung appellierte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum an die Abgeordneten, das Sparvolumen aus der Grundlohnratenbegrenzung auf das kommenden Jahr und insgesamt 150 Millionen Euro zu begrenzen; für tariflich bedingte Personalkostensteigerungen solle der Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung treffen.


Der Experte der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Herbert Weisbrod-Frei, warnte vor einem Personalabbau in den Kliniken, sollte es nicht zu einer Änderung der Pläne kommen. Für Städte, Kreise und Kommunen machte Jörg Freese deutlich, dass mit höheren Tarifabschlüssen zu rechnen sei. Es bestehe die Gefahr, dass das immer weiter steigende Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben der Krankenhäuser zum Personalabbau führt, unterstrich Freese. Damit einher gehe eine ”schleichende Erosion“ der Qualität, warnte der Einzelsachverständige Erwin Jordan.


Last not least fordern auch die Krankenkassen, die im Gesetzentwurf vorgesehene strikte Deckelung ihrer Verwaltungskosten aufzuweichen. Mindestens für die ihnen mit dem GKVFinG neu zugewiesenen Aufgaben, müsse es einen Zuschlag geben, hieß es bei der Anhörung in Berlin.