„Es ist fünf vor zwölf – die Praxen in Deutschland arbeiten längst über dem Limit. Deshalb fordern wir die Politik auf: Halten Sie Ihre Versprechen und handeln Sie endlich! Verhindern Sie das Aus der ambulanten Versorgung“, machte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen deutlich. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen seien immer weniger Menschen bereit, in einer Praxis zu arbeiten. „Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus“, so der KBV-Chef. Entsprechend habe man sich nun direkt an die Politik gewandt.
„Die Resonanz der Praxen auf unsere heutige Krisensitzung ist beeindruckend. Spätestens jetzt muss den politisch Verantwortlichen endlich klarwerden, dass wir hier keine ‚Funktionärsdebatten‘ führen, sondern dass es wirklich um die Substanz der ambulanten Versorgung in Deutschland geht. Die Praxen sind am Limit oder bereits darüber hinaus, das haben wir heute in zahlreichen Beiträgen gehört. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, sondern im Ankündigungsmodus bzw. im Wegschauen verharrt, droht ein Ausbluten der patientennahen ambulanten Versorgung, wie wir sie kennen“, sagte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV.
Tragfähige Finanzierung
Gegenstand des Forderungskatalogs ist unter anderem eine tragfähige Finanzierung der ambulanten Versorgung. „Seit Jahren werden die Praxen kaputtgespart und mit faktischen Minusrunden abgespeist“, so Hofmeister. Auch mit der Budgetierung müsse endlich Schluss sein, damit alle erbrachten Leistungen der Praxen in Gänze bezahlt werden. „Budgets auf der einen und Rund-um-die-Uhr-Leistungsversprechen auf der anderen Seite passen einfach nicht zusammen. Apropos Versprechen: Auch die Ambulantisierung und ein Bürokratieabbaupaket hatte die Bundesregierung vollmundig angekündigt – zu sehen ist davon bisher rein gar nichts“, so der KBV-Vize.
Einen Kurswechsel erwarten die Niedergelassenen auch bei der Digitalisierung. Ihnen würden immer wieder Sanktionen und Bußgelder angedroht, obwohl digitale Anwendungen nicht funktionierten und keinen spürbaren Nutzen brächten. „Was wir brauchen, ist ein Praxiszukunftsgesetz, das die erforderlichen Investitionen der Praxen in ausreichend getestete, nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik kostendeckend absichert“, forderte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner. Die Ärzteschaft sei Treiber der Modernisierung und nicht deren Bremser, wie es immer wieder kommuniziert werde.
Ultimatum an den Minister bis zum 13. September
Der Forderungskatalog mitsamt Lösungsvorschlägen wurde nun an den Minister übermittelt. Er wird aufgefordert, bis zum 13. September 2023 zu den einzelnen Forderungen Stellung zu beziehen und konkrete Umsetzungsschritte zu benennen.
Die KBV-Vertreterversammlung hat den Forderungskatalog einstimmig verabschiedet. Per Akklamation signalisierten alle Teilnehmenden ihre Zustimmung. Zur Krisensitzung waren auch die Mitglieder der 17 regionalen Vertreterversammlungen, der beratenden Fachausschüsse der KBV, Vertreter der Berufsverbände sowie Ärzte und Psychotherapeuten aus den Praxen eingeladen. Unter dem Motto „#PraxenKollaps – Praxis weg, Gesundheit weg“ machten die Kassenärztlichen Vereinigungen bereits im Vorfeld auf die Krise in der ambulanten Versorgung aufmerksam.
Das sind die gemeinsamen Forderungen der Praxen an die Politik:
- Tragfähige Finanzierung: Retten Sie die Praxen aus den faktischen Minusrunden und sorgen Sie für eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung insbesondere Inflation und Kostensteigerungen unmittelbar berücksichtigt!
- Abschaffung der Budgets: Beenden Sie die Budgetierung, damit auch Praxen endlich für alle Leistungen bezahlt werden, die sie tagtäglich erbringen!
- Ambulantisierung: Setzen Sie die angekündigte Ambulantisierung jetzt um – mit gleichen Spielregeln für Krankenhäuser und Praxen!
- Sinnvolle Digitalisierung: Lösen Sie mit der Digitalisierung bestehende Versorgungsprobleme. Sorgen Sie für nutzerfreundliche und funktionstüchtige Technik sowie die entsprechende Finanzierung, und belassen Sie die datengestützte Patientensteuerung in ärztlichen und psychotherapeutischen Händen!
- Mehr Weiterbildung in Praxen: Stärken Sie die ärztliche und psychotherapeutische Weiterbildung! Diese muss – um medizinisch und technisch auf dem aktuellen Stand zu sein – schwerpunktmäßig ambulant stattfinden. Beziehen Sie auch hier die niedergelassene Vertragsärzte- und Psychotherapeutenschaft ein!
- Weniger Bürokratie: Schnüren Sie das angekündigte Bürokratieabbaupaket, damit wieder die Medizin im Vordergrund steht und nicht der „Papierkram“!
- Keine Regresse: Schaffen Sie die medizinisch unsinnigen Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab! Die Arzneimittelregresse müssen weg!
Quelle: Pressemitteilung der KBV