Vorsicht bei Information der BARMER zu Acarizax® Fachgesellschaften warnen in einem offenen Brief vor Fehlverordnungen nach Infoschreiben

BerlinPressemitteilung

Die BARMER hat im März 2023 zahlreichen Ärztinnen und Ärzten ein "Informationsschreiben nach § 73 Abs. 8 SGB V" geschickt. Leider ist dieses Schreiben inhaltlich fehlerhaft und könnte geeignet sein, Fehlverordnungen zu induzieren. Die allergologischen Fachgesellschaften sehen sich daher gezwungen, in einem offenen Brief hierzu Stellung zu beziehen.

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Offener Brief der allergologischen Fachgesellschaften zur Information der BARMER: Acarizax® – einzigartig bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma aus März 2023 (Information nach § 73.8 SGB-V) 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie viele andere Ärztinnen und Ärzte haben im März 2023 auch Mitglieder des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA), der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) und des Deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte (HNO-BV) das o.g. „Informationsschreiben nach § 73 Abs. 8 SGB V“ der BARMER erhalten.

Leider ist dieses Schreiben inhaltlich fehlerhaft und könnte geeignet sein, Fehlverordnungen zu induzieren. Wir sehen uns daher gezwungen, hierzu Stellung zu beziehen.
Wir sind seit Jahrzehnten darum bemüht, den allergologisch tätigen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland eine differenzierte, qualitativ hochwertige und weitgehend individualisierte Allergietherapie im Sinne der modernen Präzisionsmedizin nahezulegen, da diese nachweislich für die Patienten die besten und nachhaltigsten Therapieerfolge erbringt.

Diese Qualitätsmedizin untergräbt die BARMER mit ihrem Brief in erschreckend unsachlicher Weise:

1. Undifferenzierte Darstellung der Asthma-Therapie mit Acarizax® gefährdet Patienten

ACARIZAX® ist indiziert bei erwachsenen Patienten (18-65 Jahre), bei denen auf Basis von Anamnese und Nachweis einer Sensibilisierung (Prick-Test und/oder spezifisches IgE) eine Hausstaubmilbenallergie diagnostiziert wurde, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen besteht:
• Hausstaubmilbeninduzierte anhaltende mittelschwere bis schwere allergische Rhinitis trotz Verwendung symptomlindernder Medikamente.

• Hausstaubmilbeninduziertes allergisches Asthma, welches mit inhalativen Kortikosteroiden nicht gut kontrolliert ist und welches mit milder bis schwerer allergischer Rhinitis auf Hausstaubmilben assoziiert ist. Der Asthma-Status des Patienten sollte vor dem Beginn der Behandlung sorgfältig geprüft werden. Andere Formen von Asthma können sogar ausdrückliche Kontraindikationen für die Behandlung mit Acarizax® sein. So ist unter Gegenanzeigen in der Fachinformation von Acarizax® benannt ein FEV1 < 70% des Vorhersagewertes (nach adäquater pharmakologischer Therapie) bei Beginn der Behandlung. Auch bei Patienten, die in den letzten 3 Monaten eine schwere Asthma-Exazerbation hatten und bei Patienten mit Asthma, die eine akute Infektion des Respirationstraktes haben, soll der Beginn der Behandlung mit Acarizax® verschoben werden, bis die Infektion abgeklungen ist. Zudem wird unter „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ aufgeführt: Asthma ist ein bekannter Risikofaktor für schwere systemische allergische Reaktionen. Patienten sollen darauf hingewiesen werden, dass Acarizax® nicht zur Behandlung akuter Asthma-Exazerbationen vorgesehen ist. Im Falle einer akuten Asthma- Exazerbation sollte ein kurzwirksamer Bronchodilatator verwendet werden. Wenn Patienten merken, dass die Behandlung mit ihrem kurzwirksamen Bronchodilatator unwirksam ist oder sie mehr Hübe als üblich benötigen, muss ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Patienten müssen über die Notwendigkeit informiert werden, unverzüglich einen Arzt aufzusuchen, wenn sich ihr Asthma plötzlich verschlechtert. Acarizax® soll zunächst als Zusatztherapie und nicht als Ersatz von bereits bestehenden Asthma-Medikamenten genutzt werden. Ein plötzliches Absetzen von Asthma-Controller-Medikamenten nach Beginn der Behandlung mit Acarizax® wird nicht empfohlen. Eine Reduktion der Asthma- Dauermedikation sollte nur schrittweise unter Aufsicht eines Arztes entsprechend der Asthma Behandlungsleitlinien durchgeführt werden.

Die undifferenzierte Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten von Asthma mit Acarizax® durch die BARMER gefährdet Patienten. Die Behauptung eines Alleinstellungsmerkmals von Acarizax® können wir aufgrund medizinischer Fakten nicht nachvollziehen („Einzigartig – Acarizax® bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma - Acarizax® ist demnach auch nicht austauschbar“).
Diese Aussage ist tatsächlich falsch, denn nachweislich stehen andere Produkte anderer Hersteller in diesen Indikationen zur Verfügung, und zum Teil ist Acarizax® wie oben dargestellt in der Behandlung von Asthma sogar kontraindiziert.

Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Asthma ist ACARIZAX überhaupt nicht zugelassen. ACARIZAX ist hingegen indiziert bei Jugendlichen (12-17 Jahre), bei denen auf Basis von Anamnese und Nachweis einer Sensibilisierung (Prick-Test und/oder spezifisches IgE) eine Hausstaubmilbenallergie diagnostiziert wurde und bei denen eine hausstaubmilbeninduzierte anhaltende mittelschwere bis schwere allergische Rhinitis trotz Verwendung symptomlindernder Medikamente besteht.

2. Acarizax® wird von der BARMER empfohlen zur „oralen Therapie“ – ist hierfür aber nicht zugelassen

Das Präparat Acarizax® ist für die von der BARMER beworbenen „orale Therapie“ gar nicht zugelassen!  Sollte es – aufgrund des o.g. Schreibens der BARMER - fälschlicherweise in dieser Applikationsform angewendet werden – sehen wir erhebliche Risiken für die Patienten. Zumindest aber wird höchstwahrscheinlich keine Wirksamkeit der Behandlung eintreten. Weder ist eine orale Therapie mit Acarizax® zugelassen, noch in Studien geprüft. 

Wir halten es für höchst irritierend, dass eine gesetzliche Krankenkasse die zugelassene Applikationsart ändert und Empfehlungen abgibt, die wissenschaftlich nicht belegt sind und Patienten gefährden.

Sollte dies ohne Absicht geschehen sein, zeigt dies umso mehr, wie gefährlich und unsinnig die von der BARMER in großer Menge unter den Ärzten verbreiteten „Informationsschreiben“ sind, da sie unter dem Deckmantel angeblich sachlicher Information Falschaussagen verbreiten.

3. Die BARMER bevorzugt einseitig Produkte eines Herstellers 

In o.g. Schreiben wird durch die BARMER die Behauptung einer Einzigartigkeit und Alternativlosigkeit des Arzneimittels Acarizax® aufgestellt. Diese Behauptung ist falsch und in keiner Weise nachvollziehbar. Allein das in gleichem Brief aufgeführte Arzneimittel Orylmyte® ist ebenfalls zugelassen zur Behandlung einer allergischen Rhinitis durch Hausstaubmilben und kann auch eingesetzt werden, wenn diese mit einem Asthma kombiniert ist. Zudem gibt es etliche weitere Präparate auch von anderen Herstellern, die bei Hausstaubmilbenallergien eingesetzt werden können. 
Die einseitige Bevorzugung der Präparate des identischen Therapieallergene-Herstellers durch die BARMER beobachten wir seit langer Zeit, und diese ist absolut unverständlich, da eine Monopolstellung eines einzigen Herstellers eigentlich nicht im Sinne einer Gesetzlichen Krankenversicherung sein kann. 

4. Die BARMER stellt irreführenden Preisvergleich auf 

In o.g. Schreiben stellt die BARMER einen Preisvergleich auf zwischen zwei Therapieallergen-Präparaten zur Behandlung von Milbenallergien. Dieser Preisvergleich ist in der hier vorgenommenen Weise unseres Erachtens geeignet, die behandelnden Ärzte in die Irre zu führen. Angeblich sei das Arzneimittel Acarizax® gegenüber dem Arzneimittel Orylmyte® preisgünstiger (auf der Basis von Tagestherapie-Kosten). Die gewählte Berechnungsart ist nicht beschrieben, nach unserer Ansicht können die dargestellten Kosten jedoch nicht die tatsächlichen Kosten abbilden. Zumindest ist die Berechnung in höchstem Maße intransparent, denn es werden undefinierte „Herstellerrabatte“ und ein „Apothekenrabatt“ aufgeführt, die unabhängig von uns nicht geprüft werden können. 

Unsere Berechnungen kommen zumindest zu anderen Ergebnissen. 

Aufgrund der oben dargelegten Sachverhalte halten AeDA, GPA, BVDD und HNO-BV das o.g. „Informationsschreiben“ der BARMER für unsachlich, undifferenziert und in Teilen für Patienten-gefährdend. 

Wir fordern die BARMER nachhaltig auf, den betreffenden Brief zurückzunehmen, die fehlerhaften Darstellungen zu korrigieren und zukünftig das Versenden derartiger Schreiben zu unterlassen. 

Mit freundlichen Grüßen 

Prof. Dr. med. Ludger Klimek 
Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen 

Prof. Dr. Christian Vogelberg 
Präsident der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V. 

PD Dr. med. habil. Jan Löhler 
Präsident des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte e.V. 

Dr. Frank Heimann 
Vorsitzender des Bundesverbandes der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner e.V. 

Norbert Mülleneisen
Vorsitzender des Berufsverbandes für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin Nordrhein e.V. 

Dr. med. Ralph von Kiedrowski
Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen e.V.