„Es gibt kein anderes Land weltweit, in dem seit 2004 ein solcher Rückgang des durchschnittlichen objektiven Schweregrades der Schuppenflechte zu verzeichnen ist wie in Deutschland“, sagt Prof. Dr. med. Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (IVDP). Das zeigen Daten aus dem großen Psoriasisregister PsoBest, das zurzeit 17.000 Patienten umfasst. Demnach ist der durchschnittliche PASI (Psoriasis Area and Severity Index) bei Menschen mit Schuppenflechte zwischen 2004 und 2018 hierzulande von 11,4 auf 7,2 gesunken. Der PASI misst die Ausdehnung der betroffenen Hautfläche und das Ausmaß der Krankheitsaktivität. „Dieser positive Effekt beruht im Wesentlichen auf dem Einsatz innovativer Arzneimittel“, erläutert Augustin. Zurzeit stehen 34 systemische Arzneimittel wie Biologika und Biosimilars, die in vielen Fällen eine fast vollständige Erscheinungsfreiheit der Haut ermöglichen, zur Behandlung der Psoriasis und der Psoriasis- Arthritis zur Verfügung – bei einer hohen Arzneimittelsicherheit, wie die Daten aus PsoBest belegen.
„Bei dieser Vielfalt an Therapiemöglichkeiten kommt es im Versorgungsalltag darauf an, gemeinsam mit dem Patienten und seinen Präferenzen die richtige Therapieentscheidung zu treffen“, erläutert Augustin. Dieses Prinzip bezeichnet der englische Ausdruck „Shared Decision Making“ (SDM). Die Schritte zum SDM sind vielfältig und brauchen für den Arzt und den Patienten eine Erklärung. „Wenn dies gelingt, dann ist mit der gemeinsamen, partizipativen Entscheidung aber eine ungleich bessere, patientengerechtere und auch effizientere Versorgung möglich“, ist Augustin überzeugt. Das diesjährige internationale Motto des Welt-Psoriasis-Tages „Being united“ greift das Prinzip der partizipativen Entscheidung ebenso auf wie den Gedanken einer menschenzentrierten Versorgung (PCHC), die von der Welt-Gesundheitsorganisation WHO als Maßstab medizinischer Versorgung gefördert wird.
Licht und Schatten der aktuellen Versorgungssituation
In Deutschland ermöglichen die Arbeit in den regionalen deutschen Psoriasis-Netzen und in der nationalen Versorgungskonferenz Psoriasis, die nationalen Versorgungsziele 2021-2025 sowie die kontinuierlichen Projekte der Versorgungsforschung am IVDP wichtige Entwicklungsschritte. Jüngstes Beispiel ist die Analyse der GKV-Daten der Techniker Krankenkasse 2021. Demnach erhalten inzwischen über 150.000 Betroffene mit Psoriasis in Deutschland eine leitliniengerechte Systemtherapie, darunter 55.000 Personen ein Biologikum. Auch wird Komorbidität bei Psoriasis immer häufiger frühzeitig erkannt. Und: Die Mehrheit der Patienten mit Bedarf nach einer topischen Therapie (circa 1,0 Mio. von 1,6 Mio.) erhält eine leitliniengerechte Therapie.
Allerdings profitieren Menschen mit Psoriasis in Deutschland nicht gleichermaßen von innovativen Therapien. „Unbefriedigend ist die weiterhin große regionale Diskrepanz der Versorgung mit leitliniengerechten Systemtherapien, deren Anteil im Norden und Osten weitaus höher als im Südwesten liegt“, moniert Augustin. Außerdem ist mit einem Versorgungsanteil von über 100.000 Patienten weiterhin die innerliche Kortison-Behandlung die häufigste Systemtherapie in Deutschland – eine Therapie, die von der Leitlinie nicht empfohlen wird. „Diese Fehlversorgung findet weit überwiegend bei Hausärzten und Internisten statt“, so Augustin. Doch auch in der eigenen Fachgruppe sieht er Handlungsbedarf. So setzen noch immer weniger als 50 Prozent der Dermatologen die Arzneimittelinnovationen und damit das notwendige Spektrum der leitliniengerechten Systemtherapien ein.
Neues Konzept des Wohlbefindens
Darüber hinaus geht es bei der Behandlung der Schuppenflechte längst nicht mehr darum, alleine das Hautbild zu verbessern. „Besonders bei chronischen Entzündungserkrankungen wie der Psoriasis mit oft jahrzehntelangem Verlauf ist der Einfluss auf das gesamte Leben der Betroffenen beträchtlich“, erläutert Prof. Dr. med. Ulrich Mrowietz vom Psoriasis-Zentrum, Klinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel. So wird seit vielen Jahren auch in der Routineversorgung von Menschen mit Psoriasis die Gesundheits- bezogene Lebensqualität gemessen. Dazu dient fast ausschließlich der „Dermatology Quality of Life Index, DLQI“-Fragebogen, den die Betroffenen selbst ausfüllen. „Der DLQI ist jedoch nur auf den Patienten bezogen und hat mehrere Unzulänglichkeiten, die eine umfassende Beurteilung der psycho-sozialen Lebenssituation erschweren“, so Mrowietz. Zudem betreffen die Fragen des DLQI nur Belastungen durch die Hautkrankheit, nach positiven Aspekten des Lebens wird nicht gefragt.
Ein anderes Konzept ist nach den Worten Mrowietz das des Wohlbefindens – „wellbeing“ –, das nicht nur den Menschen mit seiner Krankheit, sondern auch das Umfeld wie Partner und Familie sowie die medizinische Versorgung mit Ärzten und Pflegeteam mit einbezieht. „Hierfür eignet sich ein anderer Fragebogen, der sogenannte WHO-5, der in der Medizin bereits breite Anwendung findet“, erläutert der Psoriasisexperte. Der WHO-5 fragt nach den positiven Seiten des Lebens, beispielsweise „...war ich froh und guter Laune“ und verstärkt auch bei chronisch Kranken die eigene positive Einstellung.
Bislang ist wenig über das für Menschen mit Schuppenflechte wichtige partnerschaftliche und familiäre Umfeld bekannt, obwohl hier Beratung und Stärkung, aber auch Ausgrenzung erfolgen kann. Nur wenige Instrumente wie der FamilyPso-Fragebogen sind dafür verfügbar.
Noch weniger Informationen gibt es zu der Frage, wie sich die Zufriedenheit der behandelnden Ärzte auf Menschen mit Psoriasis auswirkt. „Ist eine Therapie erfolgreich, sind sowohl Arzt als auch Patient zufrieden und werden sich gegenseitig positiv bestärken“, weiß Mrowietz. Bei ausbleibendem Therapieerfolg kann aber auch eine Frustration auf beiden Seiten zu einer negativen Rückkopplung führen.
„Daher ist es wichtig, zukünftig das Konzept des Wohlbefindens unter Einbeziehung von Partnern und der Familie sowie von Ärzten und Pflegepersonal in den Vordergrund zu stellen“, fordert Mrowietz. Erste Untersuchungen zum Vergleich von DLQI und WHO-5 am Institut für Versorgungsforschung des UKE, Hamburg, und am Psoriasis-Zentrum des UKSH, Campus Kiel, stehen kurz vor dem Abschluss und werden zum besseren Verständnis der Unterschiede zwischen den verschiedenen Konzepten beitragen. Das Wohlbefinden von Menschen mit Psoriasis ist eng mit dem „shared decision making“ verbunden und hilft den Betroffenen, besser mit der Psoriasis umzugehen.
Neue Leitlinie weist den Weg – Rahmenbedingungen bremsen die Ärzte aus
„Auch das im Frühjahr 2021 veröffentlichte Update der S3-Leitlinie Psoriasis vulgaris hat positive Entwicklungen für die Patienten festgeschrieben“, wie Dr. med. Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD) betont. Als Minimalziel bei der Schuppenflechte-Behandlung wurde eine mindestens 75-prozentige Verbesserung des PASI festgelegt. „Das ist eine deutliche Verschärfung der ursprünglichen europäischen Empfehlung, die lediglich eine 50-prozentige Verbesserung der Psoriasis vorsah“, so von Kiedrowski. Zudem wurden mit dem Leitlinien-Update die Kriterien zur Bestimmung des Schweregrades der Schuppenflechte bei bestimmten Lokalisationen und Therapiezuständen präzisiert sowie eindeutige Empfehlungen und Richtlinien ausgearbeitet für den Erstlinieneinsatz von Biologika bei mittelschwerer und schwerer Psoriasis. Nach den Worten des BVDD-Präsidenten stellt die aktualisierte Leitlinie „einen Meilenstein dar für die Weiterentwicklung der Versorgung von Menschen mit Schuppenflechte“.
Doch die wissenschaftlich basierte Leitlinie ist nur eine Seite der Versorgung. „Die Kehrseite sind die Rahmenbedingungen im GKV-Bereich“, so der BVDD-Präsident. In den Praxen herrscht Kostendruck, es gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. „Zudem wird die zeitintensive Versorgung eines Schuppenflechtepatienten nicht adäquat vergütet, sodass nach wie vor viele Kolleginnen und Kollegen eine leitliniengerechte Versorgung nur bedingt umsetzen können“, erläutert von Kiedrowski. Vor diesem Hintergrund fordert der BVDD die Kostenträger auf, die Versorgung von Menschen mit Schuppenflechte über Selektivverträge zu stärken. „Geschieht dies nicht, wird die Leitlinie ihr Potenzial für die Patienten nicht entfalten können“, betont der BVDD-Präsident.