Ausgabe 05/2018 • Fettverteilungsstörung Abnehmen hilft nicht: Lipödem ist keine kosmetische Bagatelle

DÜSSELDORF (abd) – Auffallend dicke Beine und Arme, die schon
bei leichter Berührung schmerzen, sind die typischen Anzeichen eines Lipödems. Durch Abnehmen oder sportliche Betätigung
lassen sich die Fettgewebedepots nicht bessern – die angeborene Fettverteilungsstörung erfordert vielmehr eine gezielte Therapie beim Dermatologen.

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Schätzungen zufolge leiden in Deutschland vier bis fünf Millionen Frauen an einem Lipödem. Die Erkrankung wird jedoch häufig nicht ernst genommen und fälschlicherweise für Übergewicht gehalten. „Beim Lipödem handelt es sich um eine angeborene Fettverteilungsstörung“, erläutert Prof. Dr. Manuel Cornely, Hautarzt in Düsseldorf und Leiter einer Fachklinik für Operative Lymphologie in Köln. Dabei entwickeln sich symmetrisch an den Beinen und in bis zu 90 Prozent der Fälle auch an den Armen unproportionale Fettgewebedepots, während – anders als bei einer Adipositas – Füße und Hände sowie der Körperstamm nicht betroffen sind. Durch Diät und sportliche Betätigung werden zwar der Bauch oder die Taille schlanker, das Lipödem verringert sich jedoch nicht. „Charakteristisch ist, dass das Lipödem schon bei leichter Berührung schmerzt“, betont Prof. Cornely. Das Lipödem wird daher auch als Lipohyperplasia (= Fettzellvermehrung) dolorosa (= schmerzhaft) bezeichnet. In den Fettdepots wird mehr Lymphflüssigkeit produziert als durch die Lymphgefäße abtransportiert werden kann und das Gewebe füllt sich daher nach und nach mit Lymphflüssigkeit. Es kommt zu Spannungsgefühlen oder unangenehmem Kribbeln, Druckschmerz in den betroffenen Extremitäten sowie zu einer erhöhten Neigung zu Blutergüssen.
Die Erkrankung, die nur bei Frauen auftritt, macht sich häufig erstmals in der Pubertät unter dem Einfluss von Östrogenen bemerkbar. Das Lipödem bleibt lebenslang bestehen, kann sich in der Schwangerschaft und in
den Wechseljahren verschlechtern und beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. „Nicht nur die sichtbaren Veränderungen, sondern vor allem die Schmerzen führen zu einem hohen Leidensdruck“, betont Prof. Cornely. Das Lipödem sei keine kosmetische Bagatelle. „Die Schmerzhaftigkeit macht die Fettverteilungsstörung zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung“, so der Experte. Vorrangiges Therapieziel sei die Besserung der Schmerzen. Betroffene sollten sich am besten an einen lymphologisch versierten Hautarzt wenden. Der Dermatologe als Facharzt für die Haut ist auch für Störungen des Lymphsystems zuständig, das in der Haut seinen Ausgang nimmt.
Die konservative Therapie beim Lipödem, die durch den Dermatologen verordnet werden kann, besteht in einer komplexen Entstauungstherapie: Basis ist eine manuelle Lymphdrainage durch einen qualifizierten Physiotherapeuten, die regelmäßig durchgeführt werden muss, um den Abfluss der gestauten Lymphe zu verbessern. Zur Vorbeugung einer erneuten Ansammlung von Gewebeflüssigkeit werden die Patientinnen zudem mit maßgeschneiderter, flachgestrickter Kompressionsbekleidung versorgt, die ganztägig und dauerhaft getragen werden muss. Durch
die Entstauungstherapie lässt sich der Druckschmerz lindern. Eine Reduktion des krankheitsbedingt vermehrten Unterhautfettgewebes wird dadurch jedoch nicht erreicht. Daher ist in der Regel eine lebenslange Entstauungsbehandlung erforderlich. Patientinnen sollten außerdem auf eine gute Hautpflege achten.
„Eine dauerhafte Heilung lässt sich mit einer Liposuktion erzielen“,
berichtet Prof. Cornely. Dabei handle es sich nicht um eine kosmetische Fettabsaugung, wie sie aus optischen Gründen beispielsweise bei unliebsamem Bauchfett durchgeführt werden kann. Vielmehr stellt die operative Fettentfernung beim Lipödem die Behandlung einer lymphologischen Erkrankung dar. Diese zielt auf eine Ausbalancierung zwischen Lymphproduktion und Lymphabtransport und dadurch auf eine nachhaltige Besserung der Schmerzhaftigkeit ab.
Bei dem chirurgischen Eingriff wird unter maximaler Schonung
der Lymphgefäße eine komplette Entfernung des Fettgewebes im
Bereich des Lipödems vorgenommen. Die Patientin erhält hierbei
eine schmerzausschaltende Betäubung (Analgosedierung), die
Fettdepots werden mit einer lokal betäubenden Flüssigkeit aufgeweicht (Tumeszensanästhesie) und mit speziellen Kanülen abgesaugt. „Das Verfahren gehört unbedingt in die Hand eines erfahrenen Dermatologen“, betont Prof. Cornely. Um die Wiederherstellung des Lymphflusses zu gewährleisten, muss im Anschluss an den Eingriff für etwa vier Wochen eine intensive lymphologische konservative Therapie erfolgen.
Wie die Nachbeobachtung von fast 600 Patientinnen über einen Zeitraum von 15 Jahren ergab, lässt sich mit der von Prof. Cornely entwickelten Methode der Fettabsaugung beim Lipödem eine Abheilungsquote von
97 Prozent erzielen, das heißt, dass keine weitere Entstauungstherapie erforderlich wird.