Pressemitteilung 08/2024 • BVDD kritisiert den digitalen Haut-Check der Barmer "Hautärztinnen und Hautärzte sind nicht die billigen Ausputzer für kostenfreie Marketing-Instrumente der Kassen"

BERLIN –

Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) sieht das Angebot der Barmer Krankenkasse, unklare Hautveränderungen per App checken zu lassen, kritisch: Während die Kasse bei ihren Versicherten mit dem Service glänzen kann, schlagen die schwierigen und zeitintensiven Fälle, die digital nicht final behandelt werden können, in dermatologischen Praxen auf, wo sie unter GKV-Budgetbedingungen versorgt werden sollen. Unklar ist zudem, ob das Angebot überhaupt den Qualitätsstandards entspricht, die ein aktuelles Gerichtsurteil vorgibt

„Anstatt Patientenströme vernünftig zu regulieren, generiert die Barmer mit ihrem digitalen Haut-Check weitere Patientinnen und Patienten, die in den ohnehin bereits überlasteten dermatologischen Praxen unter den Bedingungen des GKV-Budgets zusätzlich versorgt werden sollen, wenn die digitale Einschätzung des Hautproblems nicht ausreicht“, kritisiert BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski das Angebot der Kasse. Dem BVDD sind insbesondere aus Niedersachsen Fälle bekannt, in denen Patientinnen und Patienten mit ernsthaften Hauterkrankungen nach der Nutzung des Barmer-Haut-Checks in vertragsärztlichen Hautarztpraxen gelandet sind, die mit der Haut-Check-App der Kasse in keiner vertraglichen Verbindung stehen. „Damit werden die dermatologischen Vertragsarztpraxen zum billigen Ausputzer für kostenfreie Marketing-Instrumente der Kassen. Dagegen wehren wir uns vehement“, so von Kiedrowski weiter. Er erinnert in diesem Zusammenhang an den Beschluss des Deutschen Ärztetages, nach dem nur derjenige eine telemedizinische Beratung anbieten darf, der auch in der Lage ist, eine Präsenzvorstellung für unklare Fälle zu gewährleisten. Nach Ansicht des BVDD müssten Patientinnen und Patienten, bei denen die Beurteilung des Hautproblems per digitalem Haut-Check nicht ausreicht, vom Ärztepool der Barmer versorgt werden.

Hinzu kommt die kostenfreie Nutzung des Haut-Checks für die Versicherten der Krankenkasse. Dadurch wird nach Meinung des BVDD ein Anreiz gesetzt, bei jeder Hautveränderung zur App zu greifen und diese „mal eben“ checken zu lassen. „Auf diese Weise wird Teledermatologie in der GKV-Flatrate verramscht, bevor sie sich überhaupt in der breiten Versorgung etabliert hat“, moniert der BVDD-Präsident.

Darüber hinaus stellt sich dem BVDD die Frage nach der Qualität des Barmer-Haut-Checks. Es ist nicht ersichtlich, ob und wenn ja welche Fachärztinnen und Fachärzte für Dermatologie beziehungsweise für Haut- und Geschlechtskrankheiten die von den Versicherten eingesendeten Bilder und Anamneseangaben beurteilen. Damit bleibt unklar, ob überhaupt Facharztstandard bei der Einschätzung des Hautproblems erreicht wird. Ebenfalls kritisch sieht der BVDD die Möglichkeit für die Nutzerinnen und Nutzer des Barmer-Haut-Checks, Muttermale beurteilen zu lassen. Wenn diese neu aufgetreten sind oder sich verändern, besteht der Verdacht auf schwarzen Hautkrebs. „Hier reichen Fotos zur Beurteilung einfach nicht aus und unterschreiten den fachärztlichen Standard“, warnt von Kiedrowski. Bei verdächtigen Muttermalen empfiehlt der BVDD eine Untersuchung mit klassischer Auflichtmikroskopie im Live-Kontakt als bessere und leitliniengerechte Diagnostik.

Auch eine Zertifizierung der Barmer-App als Medizinprodukt wird den Versicherten nicht angezeigt. Der BVDD verweist hier auf das aktuelle Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 20. Juni 2024, wonach die Anbieter digitaler Hautcheck-Apps diese Anwendungen als Medizinprodukt der Klasse lla, Ilb oder III nach Anhang VIII, Regel 11 Verordnung (EU) 2017/745 zertifizieren müssen.

„Der BVDD sieht nach wie vor digitale Angebote in der Dermatologie grundsätzlich positiv und unterstützt mit zahlreichen Initiativen junge Dermatologie-affine Digi-Tech-Unternehmen. Allerdings müssen die Angebote so aufgebaut sein, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Niederlassung nicht das Nachsehen haben und die schwierigen, nicht digital zu lösenden Fälle im unterfinanzierten GKV-System versorgen müssen, während die App-Anbieter wie im Falle der Barmer bei ihren Versicherten punkten“, fordert von Kiedrowski. „Dieses Problem“, so der BVDD-Präsident weiter, „könnte die Barmer allerdings ganz einfach lösen, indem sie ihren Versicherten, die den Haut-Check nutzen, gleich einen Gutschein für eine Privat-Behandlung beim Hautarzt ausstellt.“