Das hereditäre Angioödem (HAE) ist eine seltene Erkrankung, bei der sich Angioödeme episodisch entwickeln. Am häufigsten kommt es zu ausgeprägten Schwellungen der Haut, die unbehandelt meist mehrere Tage bestehen bleiben. Schleimhautschwellungen im Magen-Darm-Trakt sind ebenfalls möglich, die mit heftigen kolikartigen Schmerzen und oft auch Erbrechen und Durchfall sowie Kreislaufstörungen einhergehen. Seltener sind andere Organe wie das Gehirn, die Harnwege oder die Geschlechtsorgane betroffen. Potenziell lebensbedrohlich sind Ödeme an den oberen Luftwegen, die unbehandelt zum Ersticken führen können. „Dann ist eine rasche Notfallbehandlung entscheidend“, betont Prof. Dr. Petra Staubach-Renz, Leiterin der Urtikaria- und Angioödem-Sprechstunde an der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz. Bei Patienten, bei denen die Erkrankung nicht bekannt ist und/oder nicht adäquat behandelt wird, kann eine Attacke im Bereich der Zunge, des Rachens oder des Kehlkopfs (Larynxödem) mit dem Erstickungstod enden, warnt die Expertin.
Die üblichen Notfallmedikamente wie Adrenalin, Kortison und Antihistaminika, die bei Mastzellmediator-assoziierten Angioödemen helfen, sind beim HAE wirkungslos. Denn dem HAE liegt ein Gendefekt zugrunde, der dazu führt, dass der C1-Esterase-Inhibitor (C1-INH) nicht in ausreichender Menge gebildet wird bzw. in seiner Funktion beeinträchtigt ist. Dadurch wird das Gewebshormon Bradykinin vermehrt ausgeschüttet, die Durchlässigkeit der Blutgefäßwände wird erhöht und es tritt vermehrt Flüssigkeit ins Gewebe aus. Folge sind die typischen HAE-Schwellungsattacken.
„Um HAE-Schwellungsattacken effektiv behandeln zu können, ist es wichtig, dass diese seltene Erkrankung frühzeitig richtig diagnostiziert wird“, betont Prof. Staubach-Renz. Oft ist ein mit Angioödemen erfahrener Hautarzt der erste, der die Haut- oder Schleimhautschwellungen auf ein HAE zurückführt. Bei Verdacht sollte in einem HAE-Zentrum die weitere Abklärung erfolgen. Der Patient wird ausführlich aufgeklärt, erhält einen Notfallausweis sowie HAE-Medikamente auf Vorrat, um gegen eine Attacke gewappnet zu sein.
Für die Behandlung akuter HAE-Attacken stehen für Kinder und Erwachsene gut wirksame und sichere Präparate zur Verfügung. „Wichtig ist, frühzeitig zu therapieren. So kann die Attackendauer und Schwere am wirkungsvollsten positiv beeinflusst werden“, rät Prof. Staubach-Renz.
Die Verabreichung eines HAE-Medikaments kann durch einen Arzt oder nach ausführlicher Schulung durch den Patienten selbst oder einen Angehörigen erfolgen. Mit der Heimselbsttherapie können Patienten intervenieren und ihre Beschwerden eindämmen, sobald sich erste Anzeichen einer Attacke bemerkbar machen. „Bei einem drohenden Ödem der oberen Luftwege ist die frühzeitige Gabe lebenswichtig“, betont die Dermatologin. Auch bei Patienten, die bisher meist Attacken an der Haut oder im Magen-Darm-Trakt erlitten haben, kann es jederzeit unvorhersehbar zu einem gefährlichen Larynxödem kommen. Insbesondere bei Gesichtsschwellungen ist zu beachten, dass sie in ein Ödem der oberen Luftwege über- gehen können. Vorboten eines Larynxödems können Druck- oder Kloßgefühl im Hals, Schluckbeschwerden, belegte Stimme und, im weiteren Verlauf, Atembeschwerden sein. Wird das HAE-Medikament frühzeitig gegeben, kann eine lebensbedrohliche Luftnot in der Regel abgewendet werden. „Ein Ödem der oberen Luftwege ist jedoch immer ein Notfall“, erklärt Prof. Staubach-Renz. Auch wenn das HAE-Medikament bereits verabreicht wurde, sollte der Notarzt gerufen oder die Notfallambulanz aufgesucht werden, da weitere Maßnahmen erforderlich werden könnten, um die Luftwege offen zu halten. Dem Arzt sollte der HAE-Notfallausweis vorgelegt und das vorrätige HAE-Medikament des Patienten ausgehändigt werden, damit dieses verabreicht werden kann oder, falls dies schon erfolgt ist, bei Bedarf nachdosiert werden kann. In Situationen, in denen ein erhöhtes Risiko für eine Attacke besteht, etwa bei einer Zahnbehandlung, wird dringend geraten, vorbeugend ein C1-INH-Präparat zu geben. Bei Patienten mit schweren und häufig wiederkehrenden Attacken, die sich mit wieder- holten Akutbehandlungen nur unzureichend therapieren lassen, kann eine Langzeitprophylaxe erwogen werden.
Weitere Informationen zum hereditären Angioödem (HAE) unter:
www.angioedema.de
www.hae-erkennen.de
www.hae-info.net
www.hae- notfall.de
www.schwellungen.de