Ausgabe 02/2019 • Allergieprävention Vielfalt statt Meiden senkt das Allergierisiko

MÜNCHEN (abd) – Vor allem bei familiärer Vorbelastung sorgen sich junge Eltern, dass der Nachwuchs Allergien entwickeln könnte. Doch wie lässt sich vorbeugen? Das Baby an vielfältige Nahrungsmittel zu gewöhnen, scheint effektiver zu sein, als es davor zu behüten. Darauf weist der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) hin.

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Unser Immunsystem ist in der Lage, eine Vielzahl an Substanzen und Mikroorganismen zu erkennen und unterschiedlich darauf zu reagieren. Wichtigste Aufgabe des Immunsystems ist es, Krankheitserreger zu bekämpfen und uns vor Infektionen zu schützen. Auch kranke Körperzellen kann das Immunsystem unschädlich machen und so dazu beitragen, Krebs zu verhindern. Nützliche Mikroorganismen auf der Haut oder im Darm verschont ein gesundes Immunsystem dagegen und auch unzählige harmlose Stoffe, mit denen wir tagtäglich in Kontakt kommen, werden vertragen. 

Bei Allergien kommt es jedoch zu fehlgeleiteten Immunantworten: Dabei zeigt das Immunsystem überschießende Abwehrreaktionen gegen eigentlich unschädliche Substanzen oder sogar gegen eigene, gesunde Körperzellen. „Ein gut funktionierendes Immunsystem zeichnet sich allerdings nicht durch passive Ignoranz, sondern durch aktive Toleranz aus“, betont Prof. Dr. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Technische Universität München: Auch das Immunsystem Gesunder erkennt Allergene in Blütenpollen, Hühnerei oder Haustaubmilbenexkrementen, die bei Menschen, die dagegen allergisch sind, Abwehrreaktionen in Gang setzen. Doch das Immunsystem Gesunder zeigt darauf – anders als das Immunsystem eines Allergikers – immunologische Toleranzreaktionen. „Man geht heute davon aus, dass ein ausgedehntes Immuntoleranzsystem dem Ausbruch atopischer Erkrankungen wie Heuschnupfen, Neurodermitis und allergisches Asthma sowie auch Autoimmunerkrankungen entgegenwirkt“, so Prof. Biedermann. 

Vielfalt fördert immunologische Toleranz

Der sogenannten „Biodiversitätshypothese“ zufolge kann die Entwicklung der immunologischen Toleranz durch Vielfalt gefördert werden, und das Risiko für atopische Erkrankungen wird reduziert, wenn sich das Immunsystem schon im frühen Kindesalter mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Einflüsse auseinandersetzt. Verschiedene Studien konnten beispielsweise aufzeigen, dass Kinder weniger zu Allergien neigen, wenn sie auf dem Bauernhof aufwachsen, mehrere Geschwister haben oder in einer Kindertagesstätte betreut werden und so vielen unterschiedlichen Mikroorganismen ausgesetzt sind. 

Zum Schutz vor Allergien wird heute auch eine Ernährungsdiversivität empfohlen. Ein erhöhtes Risiko, Allergien zu entwickeln, tragen Kinder, deren Mutter, Vater oder Geschwister unter einer atopischen Erkrankung leiden. Solchen Risikokindern wurde früher geraten, vorsorglich im ersten Lebensjahr Nahrungsmittel wie Hühnerei oder Nüsse zu meiden, die häufig Allergien auslösen. Doch Studiendaten zeigen beispielsweise, dass Kinder, auf deren Speiseplan im Alter von vier bis 11 Monaten Erdnuss stand, später seltener eine Erdnussallergie entwickelten. „Damit sich frühzeitig eine Toleranz gegen Nahrungsmittel entwickeln kann, sollte auch bei Risikokindern bereits ab dem fünften Lebensmonat nach und nach eine bunte Palette an Beikost eingeführt werden“, rät Prof. Biedermann. 

 

Tipps vom Hautarzt: Allergien vorbeugen

  • Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte die Ernährung ausgewogen sein. Fischkonsum der Mutter scheint das Risiko des Kindes zu reduzieren, atopische Erkrankungen zu entwickeln.
  • Säuglinge sollten in den ersten vier Lebensmonaten voll gestillt werden. Falls Stillen nicht möglich ist, sollten Säuglinge mit erhöhtem Allergierisiko hypoallergene Nahrung erhalten. Längeres ausschließliches Stillen trägt nicht dazu bei, das Allergierisiko zu senken.  
  • Ab dem 5., spätestens ab dem 7. Lebensmonat sollte Beikost zugefüttert werden. 
  • Das Baby sollte nach und nach vielfältige Speisen kennenlernen. Dazu sollte auch Fisch gehören. Bei familiär vorbelasteten Kindern sollte ebenfalls nicht auf Nahrungsmittel verzichtet werden, die häufig Allergien auslösen. 
  • Alle, auch Risikokinder, sollten entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission STIKO geimpft werden. Impfen erhöht nicht das Allergierisiko – das Gegenteil scheint der Fall zu sein. 
  • Bei Kindern mit erhöhtem Allergierisiko in der Familie sollte keine Katze angeschafft werden. Ein Hund im Haushalt scheint dagegen sogar vor Allergien zu schützen. 
  • Übergewicht sollte vermieden werden.
  • Ein Schutz vor Hausstaubmilbenallergenen durch milbendichte Bezüge für Bettwäsche und Matratzen kann einer Allergieentwicklung nicht vorbeugen und ist nur bei bestehender Allergie gegen Hausstaubmilben sinnvoll. 
  • Tabakrauch in der Umgebung des Säuglings ist unbedingt zu vermeiden. Auch die Belastung durch Luftschadstoffe wie Autoabgase oder Innenraumschadstoffe, wie sie durch neue Möbel oder bei Renovierungsarbeiten freigesetzt werden können, sollte möglichst geringgehalten werden.