„Aus dermatologischer Sicht sollte das Desinfizieren mit viruswirksamen alkoholischen Händedesinfektionsmitteln plus anschließendes Eincremen dem Händewaschen mit Wasser und Seife vorgezogen werden“, sagt Prof. Swen Malte John, Leiter der Abteilung Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitswissenschaften an der Universität Osnabrück. Seife wäscht dauerhaft die schützenden Fette aus der Hornschicht der Haut heraus. Gleichzeitig haben die Hornzellen hygroskopische Eigenschaften, das heißt, sie ziehen Wasser an und quellen auf. Der Aufbau der Hornschicht ist vergleichbar mit der einer Ziegelmauer. „Und wenn bei einer Mauer die einzelnen Steine anfangen zu quellen, gerät das Ganze im wahrsten Sinne des Wortes aus den Fugen. Genau das passiert bei der Haut auch“, erläutert Prof. John die schädliche Wirkung von zu viel Wasser und Seife. Die Folge ist eine Schädigung der Hautbarriere – idealer Nährboden, um ein Handekzem zu entwickeln. Wird hingegen Alkohol verwendet, gibt es diesen Effekt nicht. Alkohol löst nur die oberflächlichen Fette auf der Haut. Wenn er verdunstet, verbleibt genügend Fett auf der Haut zurück.
„Um Hautirritationen zu verhindern, sollten außerdem nach der Desinfektion die Hände vollständig mit einem Hautpflegemittel eingecremt werden“, rät Prof. John. Das gilt im Übrigen auch nach dem Händewaschen. Wie wichtig diese Maßnahme ist, zeigt eine aktuelle Studie mit 302 Pflegenden aus zwei deutschen Kliniken, die auf dem Höhepunkt der Pandemie zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 durchgeführt wurde. Eine Gruppe erhielt eine gesundheitspädagogische Online-Schulung und eine unlimitierte Menge eines Hautreinigungs- und Hautpflegemittels. Die Kontrollgruppe erhielt keine der beiden Maßnahmen. Bei der ersten Gruppe traten im Beobachtungszeitraum keine neuen Handekzeme auf, während sich in der Kontrollgruppe bei 8,8 Prozent der Teilnehmenden ein neues entwickelte. „Das Ergebnis zeigt, dass sowohl Schulungen als auch die Bereitstellung von Hautpflegemitteln im Rahmen der Prävention von berufsbedingten Handekzemen bei Pflegenden im Gesundheitswesen sehr sinnvoll ist. Es wäre wünschenswert, wenn Arbeitgeber entsprechende Angebote bereitstellen würden“, so der Osnabrücker Dermatologe, der die Studie geleitet hat.
Hauterkrankungen wie das Handekzem führen seit Jahren mit weitem Abstand die Statistik der Berufserkrankungen an. Im Jahr 2020 wurden die berufsbedingten Hauterkrankungen (BK 5101) jedoch erstmals von diesem Spitzenplatz verdrängt – durch beruflich erworbene COVID-19-Infektionen (BK 3101). Laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung (DGUV) gab es 2020 rund 33.600 Verdachtsmeldungen auf eine BK 3101 (2019: 1.910). Bei der BK 5101 waren es im gleichen Zeitraum rund 18.300 Verdachtsmeldungen (2019: 19.900). Dieser Trend hat sich im laufenden Jahr weiter beschleunigt. „Allein im Beobachtungszeitraum unserer Studie gab es über 120.000 Verdachtsmeldungen beruflicher COVID-19-Infektionen“, erläutert Prof. John.
Diese starke Steigerung hat Folgen: Die Berufsgenossenschaften kommen mit der Bearbeitung der Fälle kaum noch nach. Auf der anderen Seite hat es durch COVID-19 in vielen Betrieben aufgrund von Kurzarbeit zum Teil einen deutlich verminderten Arbeitsanfall und damit geringere Hautbelastungen gegeben. Beides wirkt sich auf die Anerkennung berufsbedingter Hauterkrankungen aus, wodurch eine bedeutende Änderung im Berufskrankheitenrecht zum 1. Januar 2021 noch nicht voll zum Tragen gekommen ist. Anfang dieses Jahres ist der sogenannte Unterlassungszwang weggefallen: Personen mit berufsbedingten Hauterkrankungen wie einem Handekzem müssen nicht mehr ihre angestammte Arbeit aufgeben, um eine Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. Sie erhalten nun rechtsverbindlich eine bessere Versorgung über die Berufsgenossenschaft mit allen Vorteilen gegenüber einer Behandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung und können gleichzeitig im Beruf bleiben.
Der Hautzustand der Patienten lässt sich in vielen Fällen mit Schulungs- und Präventionsmaßnahmen sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich stark verbessern. „Dies bedeutet aber auch eine deutlich anspruchsvollere Versorgung, die durch Dermatologinnen und Dermatologen geleistet werden muss“, betont Prof. John. Er rechnet mit einer erheblichen Steigerung der Anerkennungen bei der BK 5101 – von bislang rund 500 auf etwa 10.000 jährlich. Außerdem sieht der Gesetzgeber eine rückwirkende Überprüfung alter Fälle bis zum 1. Januar 1997 vor, wodurch die Anerkennungszahlen noch weiter steigen könnten.
Über die Kampagne „haut+job“
Die bundesweite Aktionswoche „haut+job“ ist Teil der gesamteuropäischen Initiative „Healthy Skin@Work“ unter dem Dach der Europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) mit dem Ziel, die Zahl der beruflich bedingten Hauterkrankungen deutlich zu verringern und den Hautschutz am Arbeitsplatz zu verbessern. Die Aktionswoche steht alljährlich ganz im Zeichen der Aufklärung über Ursachen beruflicher Hauterkrankungen und über mögliche Schutz- und Therapiemaßnahmen. Die „haut+job“-Website unter www.haut-und-job.de hält die wichtigsten Informationen rund um berufsbedingte Hauterkrankungen bereit. In Deutschland wird die Kampagne vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen e.V. (BVDD), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) getragen.