Niedergelassene brechen für die Dermatologie als Organfach eine Lanze
KÖLN – Am 1. November 1952 – es ist Allerheiligen – wird in Köln der „Verband der niedergelassenen Dermatologen Deutschlands“ gegründet. Die Initiative geht von der Interessengemeinschaft der Dermatologen des Regierungsbezirks Köln aus und findet in gesundheitspolitisch unruhigen Zeiten mit Ärzteprotesten und Debatten über die künftige Ausgestaltung der ärztlichen Selbstverwaltung statt.
Die Gründungsversammlung war gut vorbereitet. Man hatte bundesweit eingeladen. Selbst von der "Insel Berlin" waren Hautarztkollegen an den Rhein gekommen, "um Fragen zu besprechen, die für die wirtschaftliche Zukunft aller praktizierenden Fachkollegen von grundlegender Bedeutung sind", berichtet der zum ersten Vorsitzenden gewählte Dr. Georg Bonk aus Köln 14 Monate später in der Erstausgabe des "Mitteilungsblatts" des Verbandes.
Im Vordergrund stand bei der Verbandsgründung zunächst die kollektive Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der niedergelassenen Hautärztinnen und Hautärzte: zum einen in der ärztlichen Selbstverwaltung, zum anderen gegenüber den Krankenkassen.
Konkreter Anlass für die Gründung war die vom Gesetzgeber betriebene Ausweitung der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht und die damit verbundene wachsende regulative Bedeutung der Kassenärztlichen Vereinigungen. Nach damaligen statistischen Angaben gab es 1952 etwa 30.156 Vertragsärzte mit einer Kassenzulassung, darunter 1.216 Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Besser gleich zum Facharzt
Bonk vertrat in der Gründungsversammlung in Köln mit Nachdruck den Anspruch der Dermatologie als Organfach zu gelten – mit konkreten Konsequenzen: haut-oder geschlechtskranke Patienten sollten auch in Zukunft den direkten Zugang zum Dermatologen behalten. Damit wandte sich der Kölner Hautarzt zugleich gegen Bestrebungen, angesichts der Häufigkeit dieser Erkrankungen, durch Fortbildungskurse "Vertreter anderer Arztgruppen zu Hauttherapeuten zu erziehen".
Die Therapie des dermatologischen Facharztes sei preisgünstiger als die Fehlversorgung durch weniger fachkundige Ärzte. Oft werde auch das Schädigungspotenzial unterschätzt und durch die Fehlbehandlung eine Allergie ausgelöst, lauteten damals wie heute die Argumente.
In der Konsequenz beanspruchte der junge Hautärzteverband von Anfang an auch die Versorgung der Patienten mit beruflich bedingten Hauterkrankungen. Hier gelte es "an die Betriebsärzte verloren gegangenes Terrain" zurückzugewinnen.
In der wissenschaftlichen Literatur ging man in den 50er Jahren davon aus, dass rund 30 Prozent aller Kranken mit einem Hautproblem oder einer Geschlechtskrankheit den Arzt aufsuchten."Interessant ist auch die Zahl, nach der auf den meisten Kriegsschauplätzen des 2. Weltkriegs 10% aller Betten für Hautkranke reserviert worden sind", bemerkte Bonk.
Wirtschaftlich sahen sich die Dermatologen zum einen durch einen ungeregelten Zustrom des Medizinernachwuchses aus den Kliniken in die Niederlassung bedroht. Andererseits fürchtete man, ohne berufspolitisch eigenständige Interessenvertretung bei den laufenden Verhandlungen auf KV-Ebene über eine geplante neue Gebührenordnung unter die Räder zu kommen. Beispielhaft verwies Bonk hier bei der Gründungsversammlung auf die von der Deutschen Röntgengesellschaft betriebene Neuregelung der Vergütung der Röntgenbehandlung hin, die voll zulasten der Dermatologen gegangen wäre.
Die Röntgenbestrahlung der Haut war seit Jahrzehnten bereits eine Domäne der Fachgruppe, ja, sie stelle geradezu die Wiege dieser Behandlung dar, wie Bonk unter Berufung auf eine Stellungnahme der Deutschen Röntgengesellschaft von 1939 unterstrich. Die 1952 aktuellen Pläne der Gesellschaft betrachtete Bonk als geradezu existenzgefährdend für die Dermatologen.
Handlungsbedarf sah der Gründungsvorsitzende darüber hinaus im Kammerrecht, genauer bei der Facharztbezeichnung. Die in der NS-Zeit getroffene Verengung des Dermatologen auf den "Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten" lehnte Bonk entschieden ab. Faktisch sei diese Bestimmung von den regionalen Ärztekammern auch so nie umgesetzt worden.
Bonk ging es darum, der Fachgruppe weiterhin die Möglichkeit zu erhalten, Prostataleiden zu behandeln. Als Argument führte er – ganz modern! – die realen Verhältnisse in der Versorgungslandschaft an. Den 1.216 Dermatologen bundesweit standen Anfang der 50er Jahre nur 132 Urologen gegenüber. Sollte hier den Urologen ein Exklusivanspruch eingeräumt werden, müsse im Gegenzug der Fachgruppe zugestanden werden, "ganz allein Geschlechtskranke zu behandeln".
Bald nach der Gründung legte der junge Berufsverband in den laufenden Auseinandersetzungen über eine neue Gebührenordnung einen eigenen Entwurf mit 150 Einzelleistungen und einem eigenen Kapitel zur Röntgentherapie der Haut vor. Demnach sollte die Eingangsuntersuchung, inklusive "Ursachenforschung" und "Arbeitsplatzbesichtigung", bei Geschlechtskrankheiten samt "Quellenforschung" und "Heilsplan" jeweils mit 8 DM vergütet werden. Der Eck-Stundenlohn für Facharbeiter betrug damals 1,66 DM.
Es waren zahlreiche operative Leistungen sowie die dafür erforderlichen anästhetischen Leistungen in diesem Katalog vertreten wie zum Beispiel die "Anwendung eines scharfen Löffels", die Entfernung von Geschwülsten, die "Ausrottung" eines Zehen- oder Fingernagels, die (Para)Phimoseentfernung oder die Meatotomie. Ebenso wird die "Leitung eines Bades" (4 DM) mit einer eigenen Ziffer bedacht. Die heute aktuellen Vorsorgeleistungen fehlen hingegen gänzlich.
Als Jahre später nach zähem Ringen die "NeuGo" kam, war die Enttäuschung groß. Weder in der Struktur noch in der Höhe erfüllten spätere Gebührenordnungen die hoch gesteckten Erwartungen.
Von Anfang an war der junge Verband föderativ angelegt. 1954 veröffentlichte das „Leitungskollegium“ im Mitteilungsblatt des Vereins einen Plan zum "Aufbau des Verbandes", der praktisch die Bezirksstellenstruktur der Kassenärztlichen Vereinigungen in jener Zeit darstellt. Das Konzept war äußerst erfolgreich. Schon 1954 waren rund 700 der insgesamt 1.216 vertragsärztlich tätigen Hautärzte in ihrem Berufsverband organisiert, heute sind es an die 70 Prozent.