Chronisch Hautkranke müssen tief in die eigene Tasche greifen
BONN - Fristgerecht hat der Gemeinsame Bundesausschuss einen Katalog von Stoffen und Stoffgruppen für apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vorgelegt, die auch in Zukunft bei genau festgelegter Indikation noch im Zuge einer Ausnahmeregelung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Wie der Vorsitzende des GA, Dr. Rainer Hess betonte, habe der GA damit den gesetzlichen Auftrag erfüllt.
Demnach können in der Dermatologie ab 1. April generell wieder folgende Verordnungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen werden :
- Nyastin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patienten
- Salicylsäurehaltige Zubereitungen (Schälmittel) in der Dermatotherapie als Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme
- Antihistaminika
- nur in Notfallsets zur Behandlung bei Bienen-, Wespen-, Hornissengift-Allergien,
- nur zur Behandlung schwerer, rezidivierender Urticarien
- nur bei schwerwiegendem, anhaltendem Pruritus
- Antimykotika nur zur Behandlung von Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum.
- Jod-Verbindungen nur zur Behandlung von Ulcera und Dekubitalgeschwüre
- Zinkverbindungen als Monopräparat nur zur Behandlung der enteropathischen Akrodermatitis
Harnstoffpräparate und Basisdermatika müssen chronisch Hautkranke wie Psoriatiker und Neurodermitis-Patienten hingegen auch im Zuge einer Langzeit-Intervalltherapie in Zukunft selbst zahlen. Für die Betroffenen – rund drei Millionen gesetzlich krankenversicherte chronisch Hautkranke im Erwachsnenealter - bedeutet dies nach Berechnungen des Freiburger Experten für Pharma-Ökonomie Dr. Matthias Augustin eine jährliche Zusatzbelastung im vierstelligen Eurobereich, die auch im Rahmen der Überforderungsregel nicht abgemildert wird.
Nicht durchsetzbar war bei den Verhandlungen im GBA auch die Forderung der Patientenvertreter, eine Öffnungsklausel aufzunehmen, die es dem Arzt ermöglicht hätte, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Das vom Gesetzgeber vorgegebene Einsparziel bei der Arzneimittelverordnung in Höhe von einer Milliarde Mark ist nach Einschätzung der GBA-Spitze im Rahmen dieser straffen Ausnahmeregelung erreichbar. Allerdings sei die Liste der Ausnahmetatbestände nicht als abgeschlossen anzusehen und werde fortgeschrieben, betonte Hess.
Wie in ersten Reaktionen aus dem BVDD-Vorstand zu hören war, scheint eine leitliniengerechte Versorgung chronisch Hautkranker zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen damit nicht mehr möglich zu sein. Vollends auf Unverständnis stößt die jetzt getroffene Vereinbarung angesichts der Tatsache, dass der Bundesausschuß selbst noch im Dezember 2003 in seiner Vorlage zur Anhörung die Basisdermatika im Rahmen der Intervalltherapie sowie harnstoffhaltige Präparate in die Ausnahmeregelung einbeziehen wollte.
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete und Dresdener Dermatologin Dr. Marlies Volkmer bezeichnete auf Anfrage gegenüber Uptoderm die Entscheidung des Bundesausschusses hinsichtlich der Basisdermatika und harnstoffhaltiger Präparate als fachlich falsch. "Das ist eindeutig Therapiestandard", bestätigt sie. Sie selbst will jetzt das Gespräch mit der Gesundheitsministerin suchen; allerdings reiche dies allein nicht aus. Notwendig sei jetzt auch ein deutliches Signal der betroffenen Ärzte und Patienten.
Apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bleiben nach § 31 SGB V generell von der Versorgung ausgeschlossen, stellt der GBA zur Rechtsgrundlage seiner Entscheidung klar. Lediglich gesetzlich krankenversicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen sind generell von dieser Bestimmung ausgenommen.
Bei allen übrigen gesetzlich Krankenversicherten ist die Verordnung dieser Arzneimittel nach § 34 Abs. 1 Satz 2 lediglich ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Als schwerwiegend definiert der GBA eine Krankheit, "wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt".
Weiter stellt der GBA klar: "Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht."
Rechtskräftig wird die Neuregelung zum 1. April 2004 mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, wenn das Bundesgesundheitsministerium keine Beanstandung geltend macht.