Im verhandelten Fall betrafen die abgerechneten Speziallaborleistungen Parameter des Laborkapitels M III, bei denen nicht nur der eigentliche Analysevorgang, sondern auch jeder weitere Untersuchungsschritt – also Zentrifugierung im Labor, Probensortierung, Messung von Färbungen und Trübungen, Speicherung der Werte auf der Festplatte – rein technischen, vollautomatischen Abläufen unterlag.
Der betroffene Arzt war Mitgesellschafter einer ärztlichen Apparategemeinschaft, innerhalb derer für die Durchführung der M III-Untersuchungen vorgesehen war, dass
- in der Arztpraxis des jeweiligen Gesellschafters den Patienten die Proben entnommen (und teilweise bereits zentrifugiert) wurden,
- die Probenröhrchen nach einer Begutachtung durch den Arzt mit einem Barcodeaufkleber versehen wurden,
- eine Anforderungskarte ausgefüllt wurde, aus der sich die durchzuführenden Untersuchungen ergaben, bevor der Arzt selbst oder
ein damit beauftragter Fahrdienst die Proben ins Labor transportierte.
Im Labor erfolgte eine Trennung der Probenröhrchen von den Anforderungskarten, letztere wurden eingescannt. Nach einer automatisch ablaufenden Zentrifugation der Proben wurden die Probenröhrchen in Metallgestelle eingestellt und über einen automatischen Probenverteiler den entsprechenden Untersuchungsgeräten zugeführt. Dort wurden die Barcodes eingescannt und der Computer glich die Patientendaten mit denen der Anforderungskarten ab. Die für den jeweiligen Patienten angeforderten Untersuchungen wurden vollautomatisch durchgeführt.
Nach Abschluss der Untersuchung führte zunächst ein Labormitarbeiter eine „technische Validation“ durch. Zu einem späteren Zeitpunkt erschien der abrechnende Arzt im Labor, rief dort an einem eigens eingerichteten Computerarbeitsplatz die Befunde der von ihm angeforderten M III-Untersuchungen auf und prüfte diese auf medizinische Plausibilität („medizinische Validation“).
Traten hierbei Auffälligkeiten oder Ungereimtheiten zutage, konnte der abrechnende Arzt eine nochmalige Untersuchung der im Labor mindestens eine Woche lang gekühlten Probe veranlassen. Andernfalls gab er den jeweiligen Befund per Knopfdruck frei. Erst nach dieser Freigabe wurden die Befundberichte erstellt und dem abrechnenden Arzt übermittelt.
Die Staatsanwaltschaft war der Auffassung, der liquidierende Arzt habe seinen Patienten mit der Rechnungserteilung die eigene Abrechnungsbefugnis jeweils wahrheitswidrig vorgespiegelt, denn die Leistungserbringung sei entgegen § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ weder durch ihn selbst (persönliche Leistungserbringung) noch „unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung“ erfolgt.
Dieser Auffassung schloss sich das OLG nicht an. Der eindeutige und klare Kernbereich des § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ im Zusammenspiel mit § 4 Abs. 2 S. 2 GOÄ liege im Verbot einer Abrechnung von Speziallaboranalysen, bei denen sich die ärztliche „Mitwirkung“ im bloßen „Bezug“ der Leistung unter Nutzung der Strukturen einer Laborgemeinschaft erschöpft. Ein Arzt, der solche Leistungen selbst liquidiere, täusche über Tatsachen und mache sich des Abrechnungsbetruges schuldig. Im entschiedenen Fall habe der Arzt jedoch Mitwirkungshandlungen erbracht, die über den bloßen Bezug der Laborleistung hinausgehen. Zudem habe der Arzt in vertretbarer Auslegung der nicht eindeutigen GOÄ-Regelungen die Ansicht gehabt, dass seine Handlungen die Abrechnungsfähigkeit der Leistung als eigene im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ begründen.
Hierin liege keine Täuschung, sondern eine bloße Rechtsbehauptung zu medizinischen und gebührenrechtlichen Zweifelsfragen, die bislang weder durch den Verordnungsgeber noch höchstrichterlich geklärt worden seien.
Eine für die Abrechnung der M III-Parameter durch den anweisenden Arzt zwingend erforderliche medizinische Validation des Untersuchungsergebnisses entspricht nach Auffassung des Senats einer Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, die angesichts des unklaren Begriffs der ärztlichen Aufsichtswahrnehmung in diesem Leistungssegment durch den Verordnungsgeber zumindest vertretbar sei.
OLG Düsseldorf, 20.1.2017, Az. III-1 Ws 482/15