So kam es zur Entscheidung: Ein Mann ist seit 22 Jahren angestellt. Schon in den Jahren 2017, 2019 und 2020 legte er in direktem zeitlichem Zusammenhang mit seinem Urlaub AU-Bescheinigungen vor. So war es auch im Jahr 2022, was letztlich zum Rechtsstreit führte: Seinen Urlaub verbrachte der Mann vom 22. August bis zum 9. September, doch am 7. September legte er seinem Arbeitgeber die AU vor, die ihm ein tunesischer Arzt ausgestellt hatte.
Daraus ergab sich – wie es notwendig ist – nicht nur eine Krankheit, sondern eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. September. Der Arzt schrieb, der Mann müsse wegen schwerer Ischiasbeschwerden strenge häusliche Ruhe einhalten und sei nicht reisefähig. Der Mann buchte dennoch bereits am Folgetag ein Ticket für die Fähre und trat am 29. September mit dem Auto die Heimreise nach Deutschland an. Der Arbeitgeber akzeptierte die ärztliche Bescheinigung nachträglich nicht und verweigerte die Lohnfortzahlung für den gesamten September.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte dem Mann auf dessen Klage hin zwar die Lohnfortzahlung zugesprochen (Urteil vom 16.5.2024, Az. 9 Sa 538/23), muss jetzt jedoch erneut bewerten, ob das richtig war. Denn das BAG hat den Fall an das LAG zurückverwiesen, da es an der gebotenen Gesamtschau fehle. Nach Ansicht des BAG kommt auch einer AU-Bescheinigung aus dem Nicht-EU-Ausland grundsätzlich dergleiche Beweiswert zu wie einer hiesigen. Notwendig sei dafür, dass die ausländische Ärztin oder der ausländische Arzt zwischen einer Krankheit und einer Arbeitsunfähigkeit differenziere.
Hier aber sei eine AU für 24 Tage attestiert worden, ohne eine erneute Vorstellung beim Arzt anzuordnen. Schon am Tag nach der Arztkonsultation habe der klagende Mann sein Fährticket gekauft. Die beschwerliche Heimreise mit dem Auto habe er dann während der verordneten Ruhezeit angetreten. Zudem sei diese Arbeitsunfähigkeit unmittelbar im Zusammenhang mit dem Urlaub nicht die erste dieser Art gewesen, sondern die vierte. Diese Gegebenheiten mögen für sich betrachtet unverfänglich sein. Doch in der erforderlichen Gesamtschau aller Umstände könne es anders aussehen. Es bestehen ernsthafte Zweifel am Beweiswert der AU. Diese Würdigung der Gesamtumstände habe das LAG vernachlässigt, daher müsse es neu entscheiden.
BAG, 15.1.2025, Az. 5 AZR 284/24