Für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung gilt also nicht die sozialrechtliche Verjährung von vier Jahren. Kürzungen sind auch noch später möglich, wenn der Arzt Vorgaben vorsätzlich oder grob fahrlässig missachtet hat. Danach hat die KV für eine Honorarkürzung ein Jahr Zeit, nachdem ihr die den Vertrauensschutz ausschließenden Umstände bekannt wurden.
Geklagt hatte in diesem Verfahren ein Anästhesist mit Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Er hatte als Krankenhausarzt eine Ermächtigung für schmerztherapeutische Leistungen, die begrenzt auf Überweisungen durch schmerztherapeutisch tätige niedergelassene Anästhesisten und Vertragsärzte, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen, war.
Der Kläger behandelte aber in den Quartalen eins bis drei 2008 fast ausschließlich Patienten, die von einem Hausarzt überwiesen wurden oder ganz ohne Überweisung zu ihm kamen. Um dies zu ermöglichen, hatte er eine besondere Vereinbarung mit einem in den Räumen der Klinik ansässigen Neurochirurgen mit Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ abgeschlossen. In den Räumen des Klinikarztes wurden die Versichertenkarten mit einem mobilen Kartenlesegerät erfasst und dem Neurochirurgen übermittelt, der dann die Überweisung ausstellte, ohne die Patienten je gesehen zu haben.
Kenntnis von diesem Vorgehen hatte die KV erst im April 2013 erhalten. Nach einer Prüfung ging sie von einem Missbrauch der Krankenversicherungskarten aus. Auch habe der Neurochirurg die Überweisungsvoraussetzungen der Ermächtigung gar nicht erfüllt. Mit Bescheid vom März 2014 erfolgte die Kürzung der Honorare für die Quartale eins bis drei 2008 um über 55.000 Euro.
Die Kürzung bestätigte jetzt das BSG. Der Neurochirurg habe nicht an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilgenommen. Unabhängig davon seien auch die abgesprochenen Abläufe unzulässig, weil der Neurochirurg ohne Patientenkontakt keine Überweisungen ausstellen durfte. Auch sei die Kürzung 2014 noch zulässig, weil für eine sachlich-rechnerische Richtigstellung die übliche sozialrechtliche Verjährungsfrist von vier Jahren nicht gilt, wenn ein Arzt arglistig, vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig fehlerhaft abgerechnet hat. Maßgeblich seien hier allein die gesetzlichen Sondervorschriften für die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Danach muss die KV innerhalb eines Jahres reagieren, nachdem ihr die Falschabrechnung bekannt wurde. Im Streitfall sei diese Frist noch erfüllt, und der Chefarzt habe auch „zumindest grob fahrlässig“ gegen die Regeln verstoßen, so die Richter.
BSG, 24.10.2018, Az. B 6 KA 34/17 R