Behandlungsfehler Beweislastumkehr bei medizinischem Fehlverhalten möglich

OldenburgRechtliches

Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, wird die Beweislast umgekehrt. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.

Ein Patient erlitt im Alter von fünf Jahren einen Schlaganfall, der zunächst von einemArzt der verklagten Klinik als epileptischer Anfall fehldiagnostiziert wurde. Obwohl eine Elektroenzephalografie (EEG) keine typischen Anzeichen für Epilepsie zeigte, wurde erst nach über sieben Stunden eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt. Diese ergab einen Verdacht auf einen Schlaganfall. Eine Angiografie bestätigte den Verdacht auf einen Infarkt infolge einer Vaskulitis. Als Dauerschäden blieben eine Hemiparese, ein Spasmus und eine Dystonie zurück.

Das Landgericht holte ein neuropädiatrisches Gutachten ein. Dieses stellte zwar einen groben Befunderhebungsfehler fest, konnte jedoch keine klare Ursächlichkeit zwischen der verzögerten Diagnose und den Schäden des Patienten feststellen. Es wurde argumentiert, dass die Schäden des Patienten als Sekundärschäden zu betrachten seien. Der Patient widersprach dieser Einschätzung und bezog sich auf Äußerungen eines Privatgutachters, der eine größere Wahrscheinlichkeit sah, dass die Schäden geringer ausgefallen wären, wenn eine frühere und rechtzeitige Behandlung erfolgt wäre.

Die Berufung des Patienten richtete sich gegen die Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen, dass die verzögerte Diagnose keine oder nur minimale Auswirkungen auf den heutigen Gesundheitszustand des Patienten gehabt habe. Er argumentierte, dass eine frühere Behandlung die Folgen des Schlaganfalls hätte verringern können und die Bewertung des gerichtlichen Sachverständigen widersprüchlich sei. Der Patient forderte die Einholung eines Obergutachtens, um diese Frage zu klären und bekam Recht.

Nach Ansicht des OLG muss das landgerichtliche Urteil geändert werden, um die Haftung der Beklagten für die Schädigung
des Klägers infolge der verzögerten MRTUntersuchung festzustellen. Es lag ein grober Befunderhebungsfehler vor, da das MRT nicht rechtzeitig durchgeführt wurde, obwohl dies nach einer vorherigen EEG-Untersuchung hätte geschehen sollen. Die Beweislast musste umgekehrt werden, sodass der Arzt nachweisen musste, dass die Verzögerung der MRT-Untersuchung nicht zur Schädigung des Patienten beigetragen hat.

Um diese Frage zu klären, muss zwischen Primär- und Folgeschäden unterschieden werden. Als Primärschaden ist die organische Schädigung des Hirns, die durch die Verengung der Hirngefäße infolge einer Vaskulitis verursacht wurde, zu betrachten. Der Arzt konnte nicht nachweisen, dass die verspätete Behandlung nicht zur Schädigung des Klägers beigetragen hat. Die Ausführungen des Sachverständigen unterstützten die Argumentation des Patienten.

 

OLG Oldenburg, 7.2.2024, Az. 5 U 33/23