Damit brachte der EuGH Klarheit in die Auslegung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG). „Dagegen verbietet es der Kodex nicht, Gratismuster von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an Apotheker abzugeben“, hieß es weiter in der Mitteilung des EuGHs. Nur Ärzte dürfen demnach Gratismuster von Medikamenten mit Rezeptpflicht erhalten, da sie berechtigt sind, diese auch zu verschreiben. Denn aufgrund ihrer Wirkung und der Gefahr, die von ihnen beim Gebrauch ausgehen kann, dürften solche Arzneimittel nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden.
Die Anfänge des Rechtsstreits reichen bis in das Jahr 2013 zurück. Damals hatten Außendienstmitarbeiter von Ratiopharm Verkaufspackungen des (nicht rezeptpflichtigen) Arzneimittels Dicloratiopharm-Schmerzgel kostenlos an Apotheken abgegeben. Auf diesen Packungen hatte die Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ gestanden.
Novartis vertreibt das Arzneimittel Voltaren Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac und hatte im Handeln der Ratiopharm-Mitarbeiter einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz gesehen. Außerdem habe es sich dabei nach deutschem Recht um eine unzulässige Werbegabe gehandelt.
Novartis hatte zunächst erfolgreich vor deutschen Gerichten erstritten, dass Ratiopharm keine kostenlosen Packungen an Apotheker abgeben dürfe. Ratiopharm ging daraufhin in Revision und der Fall landete am Bundesgerichtshof (BGH). Dieser setzte das Verfahren schließlich aus und wandte sich an den EuGH. Denn für die Klärung der Sache war die EU-Richtlinie entscheidend, zu der der BGH Fragen im Hinblick auf ihre Auslegung hatte.
Mit seinem Urteil entscheidet der EuGH damit jedoch nicht über den nationalen Rechtsstreit zwischen Novatis und Ratiopharm. Über die Rechtssache muss das Gericht des jeweiligen Landes im Einklang mit dem Urteil des EuGH entscheiden.
EuGH, 11.6.2020, Rechtssache C-786/18