Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Eine alleinerziehende Allgemeinärztin wollte sich generell vom ÄBD befreien lassen. Sie argumentierte, dass sie für ihre drei Kinder keine Betreuungsmöglichkeit habe. Eines der Kinder sei erst drei Jahre alt. Sie hätte eine Aufsichtspflicht, insbesondere in den Nachtstunden, die mit ihren Rufbereitschaften kollidiere. Es sei für sie unzumutbar, dass sie in dieser Situation 68 Stunden pro Jahr Bereitschaftsdienste leisten müsse.
Sie stellte einen Befreiungsantrag vom ABD, der aber von der KV abgelehnt wurde. Die KV trug vor, dass die Dienstplanung
ein Jahr im Voraus erfolge und die Ärztin Wunschdienste äußern könne. Auch könnte sie sich notfalls vertreten lassen. Im Übrigen schaffe sie es auch, in ihrer Praxis Abendund Samstagssprechstunden anzubieten. Die Ärztin klagte vor dem Sozialgericht, verlor aber den Prozess.
Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich bei der Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst um eine
Ermessensentscheidung. Wird die Praxistätigkeit unvermindert fortgeführt oder liegt diese über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe, so besteht die widerlegbare Vermutung, dass ein Vertragsarzt ohne weiteres in der Lage ist, den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu leisten. Mit der Formulierung in § 14 Abs. 2 BDO-KVB hat der Satzungsgeber
aber deutlich gemacht, dass trotz überdurchschnittlicher Praxistätigkeit beziehungsweise unverminderter Praxistätigkeit
eine Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst höchstens ausnahmsweise möglich ist.
Eine extreme familiäre Situation könne zwar ausnahmsweise die Befreiung vom ÄBD begründen. Die pauschale Behauptung der Ärztin, dass sie die Kinderbetreuung für die ein Jahr im Voraus feststehenden Dienste nicht sicherstellen und keinen Vertreter benennen könne, sei nicht glaubhaft.
„Zudem ist das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Bereitschaftsdienst, aber auch das Interesse anderer am Bereitschaftsdienst teilnehmender Ärzte zu beachten“, so das Gericht. Die Ärztin habe sich auch bewusst für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung entschieden. Dazu gehörten nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.
SG München, 4.5.2023, Az. S 38 KA 392/22