Ein Mann litt im Herbst 2016 unter anhaltenden Beschwerden in der rechten Schulter. Der Chefarzt für Schulterchirurgie riet ihm zur operativen Versorgung der rechten Schulter und des rechten Ellenbogens. Am 5. Oktober 2016 wurde mit dem Mann ein Aufklärungsgespräch durchgeführt. Darin wurde er unter anderem über eventuell erforderliche Erweiterungen (z. B. Umsteigen auf eine offene OP) hingewiesen. Der Mann unterzeichnete die Einwilligungserklärung.
Der Eingriff am 7. Oktober 2016 wurde arthroskopisch begonnen. Allerdings wurde er sodann durch Erweiterung eines der Arthroskopieschnitte mittels Mini-open-Technik fortgeführt beziehungsweise erweitert. Wegen einer postoperativ aufgetretenenInfektion mit Keimen musste sich der Mann anschließend zwei weiteren OPs an der rechten Schulter unterziehen. Er war der Ansicht, der Chefarzt habe die Operationserweiterung ohne Einwilligung vorgenommen.Das mit der Erweiterung des
Operationsgebiets verbundene Risiko einerInfektion habe sich bei ihm verwirklicht. Außerdem sei ihm nicht die erforderliche Überlegungszeit nach der Aufklärung gewährtworden. Die Klage auf Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlungund unzureichender Aufklärung blieb aber erfolglos.
Das Gericht war der Ansicht, dass der Mann in dem Aufklärungsgespräch am 5. Oktober über die Möglichkeit einer Änderung der OP-Methode im Verlauf der Operation aufgeklärt worden war und im Anschluss daran seine Einwilligung auf dem Aufklärungsbogen erteilt hatte. Der Angabe der Ehefrau des Mannes, dieser sollte eine arthroskopische OP „kriegen“ und man
habe sich in dem Gespräch auf die arthroskopische Methode geeinigt, war nicht zuentnehmen, dass der Eingriff unabhängig
von intraoperativ auftretenden Besonderheiten unter allen Umständen arthroskopisch zu Ende geführt werden musste. Denn
dies hätte – wie auf Seite zwei des Aufklärungsbogens ausgeführt – zur Folge, dass der Eingriff ohne Versorgung der betroffenen Struktur hätte abgebrochen werden müssen, um erneut mit dem Patienten zusprechen. Für eine so weitgehende Einschränkung der intraoperativen Reaktionsmöglichkeiten, die sich – wie im Aufklärungsbogen dargestellt – zum Nachteil des betroffenen Patienten auswirken kann, hätte es vielmehr einer eindeutigen Klarstellung bedurft.
Ohne Erfolg blieb auch der Einwand, die Aufklärung über die Möglichkeit eines Methodenwechsels sei deshalb unzureichend, weil der Mann nicht auf die mit dem Übergang zur Mini-open-Technik verbundene erhöhte Gefahr einer postoperativenInfektion hingewiesen worden sei.Die Infektionsraten der angewendeten OPTechnikund der Arthroskopie unterschieden sich nicht voneinander.
Die Frage, ob über eine Operation mit zeitlichem Abstand aufgeklärt werden muss, war mangels Rüge unerheblich. Grundsätzlich sieht § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde; die Bestimmung enthält kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsste.
BGH, 21.11.2023, Az. VI ZR 380/22