Damit setzte sich der Sohn der Frau durch. Er vertrat die Position, dass seine Mutter ein Ende der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr gewollt hätte.
Der Fall hat eine grundsätzliche Bedeutung: Es ging im Kern darum, wie konkret Menschen für den Ernstfall festhalten müssen, wann sie weiterleben wollen und wann nicht, damit ihre Wünsche auch Berücksichtigung finden. So reicht zum Beispiel die Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wollen, in der Regel nicht aus, weil sie zu allgemein ist.
Eine erste BGH-Entscheidung in einem anderen Fall aus dem Jahr 2016 hatte viele Menschen verunsichert. Dabei hatte eine Frau verfügt, dass bei einem Dauerschaden des Gehirns „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollten. Nach einem Hirnschlag stritten die Töchter darum, ob die Mutter weiter künstlich ernährt werden wollte. Dem BGH war die Formulierung als Grundlage zu dünn. Sie enthalte keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung, hieß es damals.
Im aktuellen Fall der 1940 geborenen Frau, die vor mehr als zehn Jahren einen Schlaganfall erlitten hatte, hatte der BGH hingegen Anfang 2017 Zweifel angemeldet, ob die Vorinstanzen von der Patientenverfügung nicht zu viel verlangt hatten.
Die Patientin hatte sich in ihrer Patientenverfügung ähnlich ausgedrückt wie die Patientin aus dem Urteil von 2016. Darüber hinaus lehnte sie lebensverlängernde Maßnahmen konkret für den Fall ab, „dass keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“. Vor ihrem Schlaganfall hatte sie zwei Wachkoma-Fälle im Umfeld miterlebt und mehrere Male Angehörigen und Bekannten gesagt, so wolle sie nicht daliegen, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, lieber sterbe sie. Mit ihrer Patientenverfügung habe sie zum Glück vorgesorgt. Einmal konnte sie nach dem Schlaganfall noch mit ihrer Therapeutin sprechen, damals sagte sie: „Ich möchte sterben.“
Das Landgericht war zunächst der Ansicht, dem lasse sich nicht eindeutig entnehmen, dass die Frau auch eine bereits eingeleitete künstliche Ernährung hätte abbrechen wollen. Dem trat der BGH 2017 entgegen und stellte klar: Selbst wenn ärztliche Maßnahmen nicht ganz detailliert beschrieben sind, kann eine Patientenverfügung konkret genug sein, wenn bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen genannt werden. Ob es noch eine Chance gibt, dass die Frau wieder zu Bewusstsein kommt, lasse sich durch einen Sachverständigen klären. Das hat das Landgericht inzwischen nachgeholt und das Dokument daraufhin doch für hinreichend bestimmt und wirksam erklärt – dem Experten zufolge sind bei der Frau die Funktionen des Großhirns komplett ausgelöscht. Mit der Entscheidung des BGH ist nun umzusetzen, was die Frau sich für diesen Fall gewünscht hat.
BGH, 14.11.2018, Az. XII ZB 604/15