Datenschutz-Grundverordnung Schmerzensgeld für grundlosen Detektiveinsatz bei AU

ErfurtRechtliches

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dürfen bei Verdacht einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit (AU) eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer nur bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des ärztlichen Attestes durch eine Detektivin oder einen Detektiv überwachen lassen.

Gibt es für die Überwachungsmaßnahme keinen ausreichenden Grund, stellt der vom Detektiv bei der Überwachung dokumentierte Gesundheitszustand des Arbeitnehmers eine verbotene Verarbeitung von Gesundheitsdaten dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG). Für die Überwachung und den damit verbundenen Kontrollverlust über seine Daten könne der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Entschädigung verlangen.

Nachdem der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung ausgesprochen hatte, die unter anderem die Versetzung an einen anderen Arbeitsort vorsah, meldete sich der Arbeitnehmer am 4.2.2022 krank. Er habe „außerhalb der Arbeitszeit“ eine Verletzung erlitten. Eine Ärztin attestierte ihm Arbeitsunfähigkeit bis zum 4.3.2022. Aufgrund früherer Streitigkeiten vermutete der Arbeitgeber, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht war. Er beauftragte eine Detektei mit der stichprobenartigen Beobachtung des Arbeitnehmers. 

Der Arbeitnehmer wurde daraufhin im Eingangsbereich seines Hauses, beim Einkaufen und auch beim Sägen und Schleifen auf der Terrasse observiert. Auch dass der Arbeitnehmer beim Gehen das linke Bein nachzieht, wurde vermerkt. Neben einem schriftlichen Protokoll wurden auch Fotos gemacht. Als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer daraufhin vorwarf, die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht zu haben, bestritt der Arbeitnehmer dies. Er gab schließlich an, mit dem Fuß umgeknickt zu sein.

Wegen der Beobachtung durch den Detektiv verlangte der Mann ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro. Der Arbeitgeber habe seinen Gesundheitszustand ohne triftigen Grund überwachen lassen. Dadurch seien seine Gesundheitsdaten in verbotener Weise verarbeitet worden. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sehe für diesen Fall eine Entschädigung vor.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf sprach dem Arbeitnehmer wegen der rechtswidrigen Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro zu. Der Arbeitgeber habe keine Anhaltspunkte gehabt, die den Beweiswert des ärztlichen Attestes erschüttert hätten. Der Arbeitnehmer sei vor der Beauftragung der Detektei noch nicht einmal angehört worden. Die Dokumentation des Gesundheitszustandes durch den Detektiv – insbesondere
der Hinweis auf den Gang des Arbeitnehmers – sei daher eine verbotene Verarbeitung von Gesundheitsdaten. Das BAG teilte die Ansicht, dass nur bei begründeten Zweifeln an einem ärztlichen Attest der Arbeitgeber den Gesundheitszustand eines Arbeitnehmers durch eine Detektei überwachen und dokumentieren lassen dürfte.

Anhaltspunkte dafür, dass das ärztliche Attest falsch gewesen sei, hätten aber hier nicht vorgelegen. Aufgrund des erlitten Kontrollverlustes über seine Daten, insbesondere bei der heimlichen Überwachung des privaten Umfeldes, stehe dem Arbeitnehmer Schadenersatz zu. Das bloße Gefühl eines Kontrollverlustes über seine Daten reiche zwar für einen Entschädigungsanspruch nicht aus. Hier habe der Detektiv aber die Beobachtung des privaten Umfeldes schriftlich und mit Fotos dokumentiert.

 

BAG 25.7.2024, Az. 8 AZR 225/23