Ablehnung der Berufsgenossenschaft Coronainfektion als Arbeitsunfall: Nachweis ist schwierig

StuttgartRechtliches

Ein Arbeitsunfall kann auch die Infektion mit einem Krankheitserreger im Rahmen der versicherten Tätigkeit sein. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat erstmals über die Anerkennung einer Coronainfektion als Arbeitsunfall entschieden und diese abgelehnt.

Ein Mann ist bei einem Großunternehmen der Fahrzeugindustrie in Baden-Württemberg beschäftigt. Bei ihm wurde am 8.4.2021 mit einem PCR-Test eine Infektion mit SARS-CoV-2 festgestellt. Nach seiner Aussage war ein Schnelltest bereits am vorangegangenen Samstag positiv gewesen. Der Mann war längere Zeit erkrankt und leidet nach eigenen Angaben bis heute an den Folgen der Infektion. Aus diesem Grund wollte er die Anerkennung als Arbeitsunfall. Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung ab, weil eine Infektion während einer versicherten betrieblichen Verrichtung nicht nachgewiesen sei.

Der Mann erhob Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe und führte zu dem ebenfalls am 8.4.2021 positiv getesteten Kollegen aus, dieser habe auch schon vor seinem eigenen Test „herumgeschnupft“. Das SG vernahm unter anderem diesen Kollegen als Zeugen. Er gab an, bei ihm seien die ersten Symptome am Freitag, dem 5.4.2021 aufgetreten. Es stellte sich auch heraus, dass er an diesem Tag nicht im Betrieb gewesen war.

Nachdem das SG die Klage abgewiesen hatte, hat der Mann mit seiner Berufung zusätzlich vorgetragen, die Ehefrau des Kollegen sei schon am 3.4.2021 positiv getestet worden, die Infektionskette müsse daher von ihr über den Kollegen auf ihn gegangen sein. Um diesen Verlauf festzustellen, müsse Beweis erhoben werden über den Subtypus des Virus bei diesen drei infizierten Personen, über dessen Verbreitung in der Bevölkerung in dem fraglichen Zeitfenster und über die Inkubationszeiten bei den Infizierten. Der Mann selbst habe in der fraglichen Zeit seine privaten Kontakte auf ein Minimum reduziert.

Das sah das Gericht anders. Die Berufung des Mannes ist zurückzuweisen. Die Ansteckungsgefahr sei bei der damaligen weltweiten Pandemie in allen Bereichen des Lebens massiv erhöht gewesen. Auch die Angabe des Mannes, er habe seine privaten Kontakte verringert, schließe eine Infektion im privaten Bereich nicht aus.

Für den Nachweis einer Infektion während der Arbeit sei es daher unabdingbare Voraussetzung, dass die mögliche „Indexperson“, bei der sich der Versicherte während einer beruflichen Verrichtung angesteckt haben könne, vor dem Betroffenen selbst mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert gewesen sei. Ansonsten sei von Anfang an nicht aufklärbar, wer wen angesteckt hat. Erst wenn der Versicherte diesen Nachweis geführt habe, könne auf zweiter Ebene untersucht werden, ob eine Infektion während der Arbeit wahrscheinlich sei, weil dort beispielsweise gefahrerhöhende Umstände vorlagen beziehungsweise im privaten Bereich des konkret Betroffenen ein deutlich geringeres Ansteckungsrisiko bestand.

 

LSG Baden-Württemberg, 29.4.2024, Az. L 1U 2085/23