Erhebt der angestellte Arzt aber keine Gegenrede, so haftet er persönlich für einen Schaden, der dem Patienten daraus entsteht. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.
So kam es zur Entscheidung: Eine 49-jährige Frau litt unter außergewöhnlich starken Monatsblutungen und einer durch Myome vergrößerten Gebärmutter. Daraufhin vereinbarte sie mit der später beklagten Klinik eine ambulante Spiegelung der Gebärmutterinnenseite mittels eines Endoskops sowie eine Abtragung von Polypen beziehungsweise Wucherungen.
Die Patientin wurde von einer Assistenzärztin und einer Oberärztin der Gynäkologie in der Klinik operiert. Bei dem Eingriff erfolgte zunächst eine Ausschabung desGebärmutterhalses, gefolgt von mehrfachem Einführen des Endoskops. Die beiden Ärztinnen setzten dabei ein Gerät ein, das unter Zuführung einer Spüllösung Polypen mittels einer Schlinge abtragen kann (monopolares Resektoskop). Als Spülmittel für die Gebärmutter nutzten die Ärztinnen etwa 2,5 Liter destilliertes Wasser. In der Folge kam es unter anderem zu einem Leberriss und einem Hirnödem. Die Patientin verstarb letztlich an diesem Hirnödem. Hintergrund der Verwendung von destilliertem Wasser war eine Anweisung des Chefarztes an die OP-Schwestern, nur destilliertes Wasser zu verwenden, anstatt Kochsalzlösung, um eine Korrosion der verwendeten Geräte zu vermeiden.
Nach Ansicht des später vom Gericht eingesetzten Sachverständigen wird schon Medizinstudentinnen und -studenten beigebracht, dass man in keinem Fall Wasser in den Körper einbringen darf, da dies zu lebensgefährlichen gesundheitlichen Folgen führen kann. Aus Sicht des Sachverständigen war es wohl dieses Wasser, das durch die Wunde in der Gebärmutter in den Blutkreislauf gelangte und das todbringende Ödem verursachte.
Die Assistenzärztin bemerkte zu Beginn der Behandlung der Patientin, dass die Spüllösung aus Wasser bestand. Ihren Angaben zufolge hat die Oberärztin ihr mitgeteilt, dass der Oberarzt Dr. K. die Verwendung des operativen Hysteroskops mit Wasser als unbedenklich angesehen habe. Die Assistenzärztin hat erklärt, dass sie es als ausreichend angesehen habe, dass der erfahrene Oberarzt keine Bedenken gehabt habe. Sie habe das, was der Oberarzt gesagt habe, wegen der Hierarchie auch nicht infrage gestellt.
Das OLG bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, mit der die beklagten Ärztinnen und die Klinik zur Zahlung unter anderem von Schmerzensgeld wegen grob fehlerhafter Behandlung verurteilt wurden. Nach Ansicht des Gerichts hatte die Assistenzärztin die Verpflichtung, fachliche Fragen bezüglich der Spüllösung jedenfalls aufzuwerfen. Dies war ihr auch insofern zuzumuten, als sich aus ihrer Anhörung ergab, dass sie keine direkte Anordnung des erfahrenen Oberarztes Dr. K. erhalten hatte, sondern ihr dessen Auffassung nur von der Oberärztin mitgeteilt worden war. Eine Remonstration hätte dementsprechend gegenüber der Oberärztin erfolgen können und müssen, von der sie wusste, dass sie eine derartige Operation ebenfalls zuvor noch nicht durchgeführt hatte, weshalb ein Wissens- oder Erfahrungsvorsprung nicht bestand.
Auch bezüglich der Oberärztin bejahte das Gericht einen groben Fehler: Denn sie, die zum Zeitpunkt der Operation seit einem Monat Oberärztin war, konnte sich bereits nach dem von ihr dargestellten Sachverhalt nicht auf eine für die Behandlungssituation maßgebliche Anweisung des Chefarztes Dr. F. berufen. Eine direkte Anweisung des Chefarztes bezüglich der Operation der Patientin hat sie bereits selbst nicht behauptet. Sie hat lediglich in ihrer Anhörung angegeben, dass ihr die OP-Schwestern erklärt hätten, dass das operative Hysteroskop nach einer Absprache zwischen dem Chefarzt und der Leiterin des OP-Pflegepersonals im Hinblick auf die Vorgabe des Herstellers, keine salzhaltige Lösung zu verwenden, mit destilliertem Wasser benutzt werden sollte, da das Gerät sonst korrodiere.
Die Oberärztin wusste aber ihrer Anhörung zufolge auch, dass in der Klinik bisher für diagnostische Zwecke das operative Hysteroskop nicht verwendet wurde und ansonsten für Eingriffe wie den streitgegenständlichen eine isotonische Lösung als Distensionsmittel eingesetzt wurde. Die aus zweiter Hand übermittelte Anweisung des Chefarztes konnte sich daher nicht auf die erstmalige Verwendung des monopolaren Resektoskops zu Diagnosezwecken beziehen, sondern lediglich auf den operativen Einsatz, in der es für die Verwendung des Resektoskops und die Eingehung der höheren Risiken durch die Verwendung einer hypotonen Lösung einen medizinischen Grund gab. Dies konnte die Oberärztin erkennen. Auch sie war wie die Assistenzärztin und die Klink daher zu verurteilen.
OLG Köln, 27.1.2025, Az. 5 U 69/24