Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zugrunde: Zwischen April 2011 und Juni 2015 hatte ein Augenarzt bei neun Patienten zwölf ambulante Kataraktoperationen durchgeführt. Bei der Patientenaufklärung verschwieg der Arzt, dass er 2009 einen Schlaganfall erlitten hatte und seitdem motorisch eingeschränkt war. So bestand etwa eine Tiefensensibilitätsstörung an seiner rechten Hand.
Die Patienten erlitten durch die Eingriffe Schäden an ihren Augen. Zwei Patientinnen erblindeten auf je einem Auge. Die Staatsanwaltschaft machte den Augenarzt dafür verantwortlich. Er hätte die Eingriffe aufgrund seiner motorischen Einschränkungen nicht durchführen dürfen. Das Landgericht verurteilte den Arzt 2020 wegen fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen zueiner neunmonatigen Bewährungsstrafe. Das sah das Bayerische Oberste Landgericht aber anders.
Nach Ansicht der Richter habe der Augenarzt vorsätzlich gehandelt. Er habe von seinen gesundheitlichen Einschränkungen gewusst und die Patienten nicht darüber aufgeklärt. Es sei von einer „gefährlichen Körperverletzung“ auszugehen, die nach § 224 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden kann. Danach liegt eine gefährliche Körperverletzung unter anderem dann vor, wenn sie mit einem „gefährlichen Werkzeug“ begangen wird.
Als gefährliches Werkzeug sei hier das bei den Operationen verwendete Skalpell anzusehen. Dieses werde zwar grundsätzlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst eingesetzt. Der Arzt müsse aber in der Lage sein, es ordnungsgemäß und fachgerecht zu gebrauchen. Sei dies wegen körperlicher Einschränkungen nicht möglich, stelle der Skalpelleinsatz eine „gefährliche Körperverletzung“ dar. Das Landgericht müsse nun ein höheres Strafmaß für den Angeklagten prüfen.
Bayerisches Oberstes Landesgericht, 19.3.2024, Az. 205 StRR 8/24