Berufsrecht Unterlassene Kontrolle der Augen ist Befunderhebungsfehler

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Hat es eine Ärztin oder ein Arzt sowohl pflichtwidrig unterlassen, die Erhebung medizinisch gebotener Befunde zu veranlassen, als auch die Befunderhebung durch falsche Angaben vereitelt, so liegt ein Befunderhebungsfehler vor und nicht ein Unterlassen der gebotenen therapeutischen Sicherungsaufklärung. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Das klagende Kind war in der 25. Schwangerschaftswoche geboren worden. Es bestand daher ein besonderes Risiko für eine Netzhautablösung. Bis zur Entlassung ausdem Krankenhaus drei Monate nach der Geburt wurde das Kind regelmäßig augenärztlich untersucht. Bei der Entlassung empfahlen die Klinikärztinnen und -ärzte den Eltern eine Kontrolle nach drei weiteren Monaten. Bereits etwa fünf Wochen nach der Entlassung stellte sich heraus, dass sich eine Netzhautablösung entwickelt hatte. Das rechte Auge ist vollständig erblindet, auf dem linken Auge hat das Kind eine hochgradige Sehbehinderung.

Das Kind machte geltend, es sei ein Behandlungsfehler gewesen, eine Kontrolluntersuchung erst drei Monate nach der
Krankenhausentlassung zu empfehlen. Das Landgericht Oldenburg wies die Klage ab, weil es einen direkten Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung nicht für erwiesen hielt. Das Kind legte Berufung ein. Das Oberlandesgericht Oldenburg gab dem Kind Recht und bejahte einen Fehler der Klinikärzte, weil diese die gebotene therapeutische Sicherungsaufklärung unterlassen hätten. Dagegen legte die Klinik Revision zum Bundesgerichtshof ein, scheiterte aber.

Das Gericht war der Ansicht, dass ein Fehler der Ärzte vorlag. Allerdings wird die Haftung der Klinik für den Schaden nicht
auf eine Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung gestützt, sondern direkt auf einen Befunderhebungsfehler. Die Ärzte hätten es sowohl pflichtwidrigunterlassen, die Erhebung medizinisch gebotener Befunde zu veranlassen, als auch die Befunderhebung durch falsche Angaben vereitelt. Dieses Verhalten sei als Befunderhebungsfehler einzuordnen und nicht als fehlerhafte therapeutische Sicherungsaufklärung. Ein Krankenhausträger sei unter den Voraussetzungen des § 115a SGB V vielmehr berechtigt, gesetzlich Versicherte im Anschluss an die stationäre Krankenhausbehandlung ohne Unterkunft und Verpflegung weiterzubehandeln und gemäß § 39 Abs. 1a SGB V verpflichtet, im Rahmen der bestehenden Versorgungsstruktur für eine sachgerechte Anschlussversorgung zu sorgen. Die Klinik müsse für den Schaden haften.

 

BGH 4.6.2024, Az. VI ZR 108/23